Rz. 51
Der Begriff des Leibgedingvertrags ist nicht explizit im Gesetz definiert. Der Begriff entstammt dem Bereich der landwirtschaftlichen Betriebsübergaben. Allerdings wird das Leibgeding, auch Altenteil genannt, in verschiedenen Vorschriften vorausgesetzt, so in Art. 96 EGBGB, § 49 GBO (siehe Rdn 60), § 9 EGZVG, § 850b ZPO, § 23 Nr. 2 Buchst. g GVG. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang Art. 96 EGBGB, der einen landesrechtlichen Vorbehalt für alle alten Bundesländer (außer Hamburg) enthält. Somit ist dem Landesgesetzgeber die nähere Ausgestaltung der mit der Erbringung der typischen Leibgedingleistungen verbundenen Rechtsfragen, insbesondere der Leistungsstörungen sowie der besonderen Leistungserbringung vorbehalten. Die landesrechtlichen Vorschriften beinhalten zumeist einen Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittrechts nach §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB. Auch wird i.d.R. das Rückforderungsrecht gem. § 527 BGB wegen Nichterfüllung einer Auflage ausgeschlossen. Dies erfolgt zum Schutz des Übernehmers, der sich mit dem übernommenen Vermögen typischerweise auf eine bestimmte Lebensform und Erwerbstätigkeit festgelegt hat. Er soll nicht existenzlos gestellt werden. Somit bleibt dem Altenteiler nur die Durchsetzung seiner Rechte. Allerdings steht es den Vertragsbeteiligten frei, vertragliche Rückforderungsrechte zu vereinbaren. Ein Rückübertragungsanspruch wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage kann unter besonderen Umständen ebenfalls anzunehmen sein.
Verletzt der Verpflichtete hingegen nach einer rechtskräftigen Verurteilung erneut schuldhaft Vertragspflichten, gilt teilweise etwas anderes (z.B. § 13 Abs. 2 BWAGBGB). Eine Rückabwicklung des Vertrags gem. § 530 BGB wegen groben Undanks ist hingegen nicht ausgeschlossen.
Rz. 52
Der Leibgedingbegriff im Sinne der landesrechtlichen Vorschriften und der Leibgedingbegriff nach Grundbuchrecht sind nicht deckungsgleich. Dies führt dazu, dass auch dann, wenn im Grundbuch ein "Leibgeding" eingetragen ist, es sich nicht um ein Leibgeding i.S.v. Art. 96 EGBGB handeln muss.
Rz. 53
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt ein Leibgedingvertrag i.S.v. Art. 96 EGBGB dann vor, wenn durch Vertrag ein Inbegriff von Nutzungen und Leistungen an einen Berechtigten (der nicht Vertragspartei sein muss) in Verbindung mit einem Nachrücken des Verpflichteten durch Grundstücksübernahme in eine die Existenz zumindest teilweise begründende und die Gewinnung der dem Berechtigten geschuldeten Leistungen ermöglichende Wirtschaftseinheit zugewandt wird, wobei eine einzige Nutzung/Leistung ausreichen kann. Von einer Vollversorgung sind Abstriche möglich. Allerdings müssen die Grundzüge des Altenteilrechts noch erhalten bleiben, d.h. die weitgehende Aufgabe der wirtschaftlichen Selbstständigkeit zugunsten einer persönlichen Versorgung und eine gewisse Verknüpfung der beiderseitigen Lebensverhältnisse. Erfolgt die Grundstücksübertragung gegen Einräumung eines Wohnungsrechts sowie unter Vereinbarung einer Pflege- bzw. Versorgungsverpflichtung im Bedarfsfall, so ist dies dann nicht ausreichend, wenn das Grundstück für den Übernehmer keine die Existenz zumindest teilweise begründende Wirtschaftseinheit darstellt oder er nicht in eine bereits vom Übergeber geschaffene Existenzgrundlage eintritt Der Charakter eines gegenseitigen Vertrags mit beidseitig gleichwertigen Leistungen steht hierbei nicht zwingend im Vordergrund. Üblicherweise gehören zu einem Altenteil die folgenden Leistungen:
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Wohnungsrecht, |
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ggf. auch eine Wohnungsreallast, |
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Wartung und Pflege, |
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Kostenübernahme bei Krankheiten, |
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Verpflegung bei Tisch oder durch Naturalien, |
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ggf. auch einmalige Zahlungen. |
Nutzungsrechte an einem gesonderten Altenteilsanwesen samt der Nutzung von Garten und Viehhaltung, können noch hinzukommen.
Umfasst die Übergabe nur einen Teil der Wirtschaftseinheit, ist ein Altenteil zu verneinen, da sich der Übergeber seine Lebensgrundlage noch überwiegend vorbehält. Behält sich der Übergeber den Totalnießbrauch vor, gibt er seine tatsächliche Herrschaft und Bewirtschaftung somit nicht ab. Auch in diesem Fall ist ein Altenteil zu verneinen. Für den Fall, dass eine wesentliche Pflegevereinbarung im Notfall ersatzlos entfällt, was dazu führt, den bedürftigen Übergeber in einem Alten- und Pflegeheim auf Kosten des Sozialhilfeträgers unterzubringen, liegt eine Altenteilsvereinbarung ebenfalls nicht vor.
Rz. 54
Hinsichtlich der Beschaffenheit des Zuwendungsobjekts fordert der BGH demgemäß, damit es sich um einen Leibgedingvertrag i.S.v. Art. 96 EGBGB handelt, dass der Übergeber dem Übernehmer seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um hierfür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten. Gleichzeitig erlangt der Übernehmer eine wirtschaftlich selbstständige Stellung. Nicht ausreichend hingegen ist es, wenn der Übernehmer das zugewandte Grundstück zur Schaffu...