Rz. 10

Innerhalb des Oberbegriffs "Übergabevertrag" lassen sich verschiedene Typen einteilen.[6] Diese von der Kautelarjurisprudenz entwickelten Vertragstypen spiegeln die rechtliche und tatsächliche Realität bestimmter Lebenssituationen wider. Für die juristische Vertragspraxis ergeben sich somit Standards für die Vertragsgestaltung.[7] Statt einer Kategorisierung nach Leistung und Gegenleistung erscheint es sinnvoll, Fallgruppen danach zu bilden, wie weit die Beteiligung des Übernehmers am Übergabeobjekt "reichen soll".

 

Rz. 11

Klassische Hof- oder Betriebsübergabe

Eine solche klassische Hof- oder Betriebsübergabe stellt die stärkste Beteiligung des Übernehmers am Übergebervermögen dar. Im Rahmen einer solchen Überlassung wird die zentrale Wirtschafts- und Betriebseinheit übergeben. Übernehmer ist i.d.R. ein sehr naher Verwandter, regelmäßig ein Abkömmling des Übergebers. Geprägt ist diese Form der Übergabe durch hohes Vertrauen des Übergebers in den Übernehmer, engste Familienbande und die schon im Zeitpunkt der Übergabe ohnehin bestehende und danach verstärkte Abhängigkeit zwischen Übergeber und Übernehmer; der Übergeber legt quasi sein "Schicksal in die Hand des Nachfolgers".

Grundstücksübergaben mit Versorgungscharakter im privaten Bereich

Bei diesem Vertragstypus geht es nicht um die Übertragung einer die Existenz des Übernehmers sichernden Wirtschaftseinheit. Der Übergeber überträgt vielmehr sein Wohngrundstück, um sich Pflege und Versorgung im Alter zu sichern. Der Übernehmer, i.d.R. ein Abkömmling oder naher Verwandter, wohnt hierbei regelmäßig neben dem Übergeber im Übergabeobjekt, an dem dieser sich in den meisten Fällen ein Wohnungsrecht vorbehält.

Kennzeichnend für diesen Typus ist häufig auch der Umstand, dass der Übernehmer nicht unerhebliche Investitionen vornimmt, um die übergebene Immobilie für eigene Wohnzwecke herzurichten oder seinen Vorstellungen anzupassen. Ähnlich der klassischen Hofübergabe ist diese Form der vorweggenommenen Erbfolge geprägt von gegenseitigem, uneingeschränktem Vertrauen und engster familiärer Bindung. Auch hier ist der Übergeber dem Übernehmer mit zunehmendem Alter auf "Gedeih und Verderb" ausgeliefert, weshalb die Rechtsstellung des Übergebers umfassend abgesichert sein sollte.

Qualifizierte Zuwendung von Grund- oder Geldvermögen (Existenzgründung)

Abgeschwächt in der Konsequenz ist die Übergabe bzw. Zuwendung von Grund- oder Geldvermögen unter einer gewissen Zweckbindung, die häufig auch als Ausstattung erfolgt. Es handelt sich hierbei um den typischen Vorempfang, der ausschließlich im Interesse des Übernehmers liegt. Häufig ist damit die Hoffnung des Übergebers verbunden, zur Existenzbegründung des Übernehmers beitragen zu können. Diese Hoffnung wird i.d.R. durch eine Zweckschenkung unter Vereinbarung entsprechend weiter Rückforderungsrechte umgesetzt bzw. gesichert. Typisches Beispiel für eine Zuwendung innerhalb dieser Gruppe ist die Zuwendung eines Bauplatzes an einen Abkömmling oder die Zuwendung von Geld zum Erwerb einer Eigentumswohnung oder zu Umbauzwecken oder Ähnlichem.

Einfache Zuwendung von Grund- oder Geldvermögen

Ein Weniger hierzu wiederum stellt die bloße Übergabe von Grund oder Geld dar, ohne dass als Zielsetzung die Begründung einer Existenz des Übernehmers im Vordergrund steht. Der Übernehmer erhält den Übergabegegenstand ohne eigentliche Zweckbindung, lediglich vor dem Hintergrund weiterer sinnvoller Verwendung. Auch spielen bei dieser Variante häufig steuerliche Hintergründe eine große Rolle. Die Ausgliederung von Vermögensteilen zu einem frühen Zeitpunkt führt regelmäßig zu einer späteren erheblichen Erbschaftsteuerersparnis.

Anlassbedingte Zuwendungen

Anlassbedingte Zuwendungen sind solche, die zum Geburtstag, Weihnachten oder sonstigen Anlässen getätigt werden. In der Regel liegen diese vom Wert her unter den vorgenannten qualifizierten bzw. einfachen Zuwendungen. Die steuerliche Motivation steht regelmäßig im Hintergrund, der Steuerspareffekt ist allenfalls ein willkommener Nebenaspekt.

 

Rz. 12

Als Vorstufe der klassischen Hof- oder Betriebsübergabe kann die Verpachtung von Hof oder Betrieb an den vorgesehenen Nachfolger angesehen werden. Gerade ein Übergeber, der sich noch nicht entschließen kann, seinen Hof oder Betrieb zu übergeben, gleichzeitig aber den Übernehmer an seinem Lebenswerk schon zu seinen Lebzeiten beteiligen will, wird versuchen, den Mittelweg zu gehen. Über diesen Mittelweg eröffnet sich ihm neben der Ausnutzung steuerlicher Aspekte auch die Möglichkeit, den Übernehmer nach seinen Fähigkeiten um die Fortführung des Betriebs bzw. Hofs zu testen, um so später in der Entscheidung hinsichtlich der klassischen Hof- oder Betriebsübergabe gefestigt zu sein.

 

Rz. 13

Vorstufe für die Hof- bzw. Betriebsübergabe ist neben der Verpachtung auch die Integration des zukünftigen Übernehmers über eine arbeits- oder gesellschaftsrechtliche Beziehung.

Motivation des Übergebers ist auch hier, den Übernehmer in sein Lebenswerk einzubinden, s...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?