1. Allgemeines
Rz. 100
Vertragliche Regelungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge haben häufig Schenkungscharakter. Je nach Art und Umfang der vom Übernehmer geschuldeten Gegenleistungen überwiegt der unentgeltliche oder der entgeltliche Teil des Geschäfts. Liegt demgemäß eine Schenkung, gemischte Schenkung oder Schenkung unter einer Auflage vor, so haften dem Erwerb des Übernehmers die typischen Schwächen der Unentgeltlichkeit an.
Bei Verarmung des Schenkers ist er dem Schenkungswiderruf ausgesetzt, § 528 BGB. Weiterhin haftet er beim Tode des Übergebers u.U. auf Pflichtteilsergänzung (§§ 2325, 2329 BGB). Pflichtteilsergänzungsansprüche spielen bei der Gestaltung von Übergabeverträgen immer noch eine wichtige Rolle. Die §§ 2325 ff. BGB korrigieren nach dem Tod des Übergebers zugunsten der übergangenen Pflichtteilsberechtigten Vermögensverschiebungen, indem sie über die Bildung eines sogenannten fiktiven Nachlasses die verschenkten Vermögenswerte als nach wie vor zum Nachlass zugehörig betrachten, soweit die Schenkung innerhalb der regelmäßig (nicht bei Ehegatten; § 2325 Abs. 3 BGB) zu beachtenden Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB getätigt wurde. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Schenkung lediglich dann, wenn sie innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall erfolgt ist, in vollem Umfang zu berücksichtigen ist und innerhalb jedes weiteren Jahres um jeweils ein Zehntel weniger Berücksichtigung findet. Auch gemischte Schenkungen und Schenkungen unter Auflage sind dem fiktiven Nachlass hinzuzurechnen, wobei Gegenleistungen wertmäßig regelmäßig entgegengesetzt werden können. Auch die sogenannten ehebedingten Zuwendungen sind erbrechtlich (im Gegensatz zum Familienrecht) grundsätzlich als Schenkungen zu betrachten, so dass auch sie Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen können. Will der Übergeber sichergehen, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht eingefordert werden können, bleibt ihm nur die Abforderung eines Pflichtteilsverzichts von den übrigen Pflichtteilsberechtigten (vgl. zum Pflichtteilsrecht § 17).
Rz. 101
Schließlich sind hier auch die Vorschriften der §§ 2287, 2288 BGB zu nennen, die bei beeinträchtigenden Schenkungen dem Vertragserben oder dem Vermächtnisnehmer (analoge Anwendung beim gemeinschaftlichen Testament) einen Herausgabe-, Verschaffungs- und Wertersatzanspruch hinsichtlich des unentgeltlich Zugewandten gewähren.
2. Vertragsgestaltung und Unentgeltlichkeit
a) Allgemeines
Rz. 102
Bei der Gestaltung von Übergabeverträgen steht die Versorgung des Übergebers durch den Übernehmer häufig im Vordergrund. Durch die Vereinbarung von Gegenleistungen, die die Versorgung des Übergebers sicherstellen sollen, wird der Wert der Übergabeleistung in aller Regel reduziert. Allerdings ist nicht jede Gegenleistung des Übernehmers geeignet, den Übergabewert herabzusetzen, um die häufig unerwünschten Folgen des unentgeltlichen Erwerbs, wie beispielsweise das Rückforderungsrecht des Schenkers im Falle seiner Verarmung, zu umgehen. Eine solche Minderung können jedoch Leistungen erreichen, die demselben Interesse wie der Rückforderungsgrund des § 528 BGB dienen, so z.B. die Verhinderung des Notbedarfs des Schenkers. So kann also ein Pflichtteilsverzicht des Übernehmers den Wert der Zuwendung nicht mindern, während z.B. Dienst- und Pflegeleistungen dazu im Stande sind. Solche Gegenleistungen sind, schon zum Zwecke des Nachweises, in der notariellen Urkunde mitaufzunehmen, um sicherzustellen, dass eine Reduzierung tatsächlich durchsetzbar, die Motivation der Gegenleistung sichtbar wird.
Rz. 103
Dennoch wird es für die Parteien des Übergabevertrags häufig schwer bleiben, den tatsächlichen Wert des Übergabegegenstands und der Gegenleistung zu bestimmen, um definitiv zu überblicken, ob dem Vertrag ein unentgeltliches Element innewohnt. Es ist daher u.U. anzuraten, den Wert von Betrieben, landwirtschaftlichen Anwesen und auch bloßen Grundstücken vorab durch einen Gutachter schätzen zu lassen, um eine abschließende Willensbildung im Hinblick auf die Entgeltlichkeit, Unentgeltlichkeit oder vor allem Teilentgeltlichkeit zu erreichen. Gerade bei der Entwicklung von Vermeidungsstrategien, d.h. bei der gestalterischen Vorsorge zur Vermeidung der Inanspruchnahme des Übernehmers aufgrund der Vorschriften der §§ 2325, 2329, 2287, 2288 BGB, ist es häufig unabdingbar, von einer sicheren Werteinschätzung des Übergabeobjekts auszugehen, um durch die gezielte Vereinbarung von (entgeltlichen) Gegenleistungen wie Rente, Abstands-/Gleichstellungsgeld, Pflege, Dienstleistungen sowie Nutzungsvorbehalten den Übergabewert zu reduzieren.