Rz. 104
Aus dem Versorgungsausgleich muss der Ausgleichspflichtige seinerseits von seinem Ehegatten Anrechte erlangt haben, aus denen er aber noch keine Leistungen erlangen kann. Der in der Praxis häufigste Fall wird insofern sein, dass der Ausgleichspflichtige im internen Versorgungsausgleich eines Anrechts, das in seiner Ausgangsform eine Invaliditäts- und Altersabsicherung vorsah, wegen § 11 Abs. 1 Nr. 3 VersAusglG nur ein Anrecht erhalten hat, das auf die Gewährung einer (erhöhten) Altersabsicherung begrenzt ist, weil der Versorgungsträger die Absicherung des Invaliditätsrisikos ausgeschlossen hat. In den Fällen der Altersversorgung sind das Anrechte, die an die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung anknüpfen oder an eine vorgezogene Altersgrenze, die aber höher liegt als diejenige, welche für das Anrecht besteht, das der Ausgleichspflichtige im Versorgungsausgleich verloren hat.
Rz. 105
Hinweis
Zu beachten ist, dass es auch insoweit allein auf den Erwerb von Anrechten aus den Regelsicherungssystemen ankommt. Ob der Ausgleichspflichtige andere Anrechte (v.a. private oder betriebliche Anrechte) im Versorgungsausgleich erworben hat, ist irrelevant.
Rz. 106
Nicht von § 35 VersAusglG erfasst wird der Fall, dass ein Ausgleichspflichtiger zwar im Versorgungsausgleich Anrechte verloren hat, die eine Invaliditätsabsicherung oder eine Absicherung mit einer vorgezogenen Altersgrenze gewährten, dass er aber im Ausgleich von seinem Ehegatten gar keine Anrechte erworben hat (Hauptfall: Der Ausgleichspflichtige war allein erwerbstätig und hat deswegen allein Versorgungsanrechte erworben). Das ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 VersAusglG, zudem aber auch aus der Regelung in § 35 Abs. 3 VersAusglG, die die Aussetzung der Kürzung auf den Ausgleichswert der Rechte beschränkt, aus denen keine Leistungen bezogen werden können. Wenn keine Anrechte an den Ausgleichspflichtigen übertragen wurden, ist dieser Wert null. Wegen der fehlenden Relevanz der nicht zu den Regelsicherungssystemen gehörenden Versorgungen ist der Fall gleichgestellt, dass der Ausgleichspflichtige vom Ausgleichsberechtigten seinerseits nur solche Anrechte erlangt hat, die nicht unter § 32 VersAusglG fallen.
Rz. 107
Aus den im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten darf der Ausgleichspflichtige noch keine Leistungen beziehen können. Gemeint sind Anrechte i.S.d. § 32 VersAusglG (vgl. § 35 Abs. 3 VersAusglG). Die Frage ist, wie § 35 Abs. 1 VersAusglG insoweit auszulegen ist. Die Regelung stellt darauf ab, dass der Ausgleichspflichtige "aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann." Der Wortlaut eröffnet zwei Möglichkeiten: Es könnte gemeint sein, dass der der Ausgleichspflichtige aus gar keinem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen beziehen kann. Das wäre eine sehr restriktive Auslegung, die die Anpassung schon dann verhindern würde, wenn auch nur aus einem einzigen, noch so kleinen im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bereits Leistungen fließen. Denkbar ist aber auch die Auslegung, dass jedenfalls aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht noch keine Leistungen fließen dürfen. Damit wäre die Anpassung so lange möglich, wie der Ausgleichspflichtige noch nicht aus allen im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten Leistungen beziehen kann. Erst die Zusammenschau mit § 35 Abs. 3 VersAusglG ergibt, dass der Gesetzgeber die zweite Auslegung gemeint hat; denn die Anpassung ist begrenzt auf die Höhe der Ausgleichswerte der Anrechte, aus denen der Ausgleichspflichtige noch keine Leistungen erlangen kann. Daraus folgt, dass die Aussetzung der Kürzung der abgegebenen Versorgung auch dann noch in Betracht kommen muss, wenn der Ausgleichspflichtige schon aus einzelnen Versorgungen Leistungen bezieht.
Rz. 108
Nicht erfasst ist der Fall, dass der Ausgleichspflichtige wegen eines oder mehrerer Anrechte des Ausgleichsberechtigten in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen worden ist. In einem solchen Fall steht ihm hinsichtlich des schuldrechtlich auszugleichenden Anrechts noch gar keine Rechtsposition zu. Es ist deswegen der Tatbestand des § 35 VersAusglG nicht verwirklicht.