Rz. 40

Die Anpassung der Versorgungsausgleichsentscheidung setzt weiter voraus, dass der Unterhaltsanspruch des Ausgleichspflichtigen wegen herabgesetzter Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen (teilweise) entfiele, wenn ihm nur die durch den Versorgungsausgleich gekürzte Versorgung gezahlt würde, dass der Anspruch aber zumindest teilweise bedient werde könnte, wenn die Kürzung der Versorgung unterbliebe.

 

Rz. 41

 

Beispiel

Als M sich scheiden lässt, ist er schon Rentner. Seine ungekürzte Versorgung aus seinem vollständig in der Ehezeit erworbenen Anrecht beträgt 1.800 EUR mtl. Seine wesentlich jüngere und noch teilweise erwerbstätige Frau F hat gegen ihn einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 300 EUR mtl. Würde die Versorgung von M um den Ausgleichswert von 900 EUR gekürzt, verblieben ihm nur noch 900 EUR mtl. Das läge unter seinem angemessenen Selbstbehalt, sodass seine Unterhaltspflicht entfiele. Er kann deswegen die Anpassung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich verlangen.

 

Rz. 42

Eine Anpassung kommt trotz des insoweit missverständlichen Gesetzeswortlauts aber auch in Betracht, wenn der Unterhaltsanspruch auch nach der Kürzung der Versorgung erfüllt werden kann, ohne dass die Leistungsfähigkeit des Versorgungsbeziehers berührt wird.[41] Erforderlich ist nur, dass nach der Kürzung ein geringerer Unterhaltsanspruch besteht als er bestünde, wenn eine ungekürzte Versorgung gezahlt würde. Der Gesetzgeber wollte insoweit nichts an der bisherigen Rechtslage ändern. Zwar könnte man dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 VersAusglG das Gegenteil entnehmen, weil das Gesetz nun ausdrücklich darauf abstellt, dass "ohne die Kürzung" ein Unterhaltsanspruch bestünde, indem man argumentiert, dass das logisch voraussetze, dass ein solcher nicht bestehen darf, wenn die Kürzung erfolgt ist.[42] Das geht aber zu weit. Alle in den Gesetzesmaterialien angeführten Berechnungsbeispiele[43] zeigen, dass der Gesetzgeber auch solche Fälle in den Anwendungsbereich des § 33 VersAusglG einbeziehen wollte, in denen nach der Kürzung der Versorgung nur ein reduzierter Unterhaltsanspruch besteht. Darüber hinaus ist die Wortlautargumentation zwar einleuchtend, aber nicht zwingend: Gemeint sein kann durchaus auch, dass ohne die Kürzung ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch in anderer Höhe besteht.

 

Rz. 43

 

Beispiel

Als M sich scheiden lässt, ist er schon Rentner. Seine ungekürzte Versorgung aus dem in der Ehezeit erworbenen Anrecht beträgt 1.800 EUR mtl. Daneben hat er Einkünfte aus Vermietung i.H.v. 500 EUR mtl., insgesamt also 2.300 EUR mtl. Seine wesentlich jüngere und noch teilweise erwerbstätige Frau F hat gegen ihn einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 300 EUR mtl. Würde die Versorgung von M gekürzt, verblieben ihm davon nur noch 900 EUR mtl. Er behielte aber sein Einkommen aus der Vermietung und hätte deswegen immer noch 1.400 EUR. Das läge über seinem angemessenen Selbstbehalt von 1.050 EUR, sodass er seine Unterhaltspflicht ohne weiteres erfüllen könnte. In diesem Fall kommt es auf den geschilderten Meinungsstreit an. Nach der hier vertretenen Auffassung kann die Entscheidung über den Versorgungsausgleich angepasst werden und führt dann zu einem Wegfall der Kürzung i.H.d. Unterhaltsanspruchs.

 

Rz. 44

 

Hinweis

Besteht ein Unterhaltsanspruch des Ausgleichsberechtigten wegen ohnehin (d.h. auch ohne die Kürzung der Versorgung) nicht vorhandener Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen nicht, kommt auch die Anpassung der Versorgungsausgleichsentscheidung nicht infrage, denn in diesem Fall würde die Rückgängigmachung der Kürzung die Stellung des Ausgleichsberechtigten nicht verbessern: Mit Kürzung hätte er keinen Unterhaltsanspruch, ohne die Kürzung auch nicht.

 

Rz. 45

 

Beispiel

Als M sich scheiden lässt, ist er schon Rentner. Seine ungekürzte Versorgung aus seinem vollständig in der Ehezeit erworbenen Anrecht beträgt 1.000 EUR mtl. Seine wesentlich jüngere und noch teilweise erwerbstätige Frau F hat zwar einen Bedarf von 300 EUR mtl. und erfüllt auch die Voraussetzungen eines Unterhaltstatbestandes. Sie hat aber keinen Unterhaltsanspruch, weil das Einkommen von M seinen angemessenen Selbstbehalt (der ebenfalls 1.050 EUR beträgt) nicht übersteigt. Würde die Versorgung von M gekürzt, verblieben ihm nur noch 500 EUR mtl. Das läge ebenfalls unter seinem angemessenen Selbstbehalt, sodass eine Unterhaltspflicht ebenfalls nicht bestünde. Eine Anpassung der Versorgungsausgleichsentscheidung kommt deswegen nicht in Betracht.

[41] Wie hier BGH FamRZ 2013, 189, 190; BVerwG, FamRZ 2012, 1565; OLG Köln, FamRZ 2012, 1569; OLG Hamm, FamFR 2012, 108; NK-BGB/Götsche, § 33 Rn 12; Bergner, KomRefVA, S. 237; Götsche, ZFE 2010, 409, 410t; distanziert Ruland, Rn 1036; a.A. OLG Koblenz FamRZ 2012, 1812; OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1811; Bergner/Borth, FamRZ 2013, 589, 592.
[42] Brudermüller, NJW 2011, 3196, 3202.
[43] BT-Drucks 16/10144, S. 72 f.

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