Rz. 18

Da auch das Gebiet der DDR nach dem staatsrechtlichen Verständnis der Bundesrepublik Deutschland ein Teil von Deutschland war, war aus westdeutscher Sicht die DDR Inland, ihre "Staatsbürger" waren Deutsche und das dort geltende Recht kein ausländisches Recht. Die sich ergebende Rechtskollision war mithin nicht mit dem internationalen, sondern mit dem interlokalen Kollisionsrecht zu lösen. Dieses interlokale Privatrecht wurde durch eine Analogie zum IPR gewonnen, indem der Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt ersetzt wurde.[28]

 

Rz. 19

Mithin war bis zum 2.10.1990 das anwendbare Recht abhängig davon zu bestimmen, ob der Erblasser zum Zeitpunkt des Ablebens seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet der damaligen DDR oder im Westen hatte. Eine Besonderheit ergab sich dabei ab dem 1.1.1976 für "Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden" in der damaligen DDR. § 25 Abs. 2 RAG-DDR statuierte insoweit die Geltung des Rechts der DDR. Aus westlicher Sicht begründete dies ein über Art. 28 EGBGB a.F. bzw. Art. 3 Abs. 3 EGBGB (jetzt: Art. 3a Abs. 2 EGBGB) analog zu berücksichtigendes vorrangiges Einzelstatut.[29] Folge war, dass DDR-Grundstücke von im Westen lebenden Deutschen nach dem ZGB der DDR vererbt wurden.[30]

 

Beispiel

Hinterließ ein DDR-Staatsbürger nach der Flucht aus der DDR, der bei seinem Ableben seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, ein Grundstück in der DDR, wurde er mithin grundsätzlich nach dem Erbrecht des BGB beerbt. Für das Grundstück trat jedoch gem. § 25 Abs. 2 RAG-DDR, Art. 3 Abs. 3 EGBGB a.F. die Geltung des ZGB und Nachlassspaltung ein. Volljährige, gegenüber dem Erblasser im Erbfall nicht mehr unterhaltsberechtigte Kinder hatten mithin bezüglich der in der DDR belegenen Immobilie keinerlei Pflichtteilsansprüche.

 

Rz. 20

Nachdem in der DDR die "Staatsbürgerschaft der DDR" eingeführt wurde und infolge des Grundlagenvertrages das Verhältnis zur DDR faktisch zunehmend einem internationalen Verhältnis angenähert wurde, wurde in der Literatur teilweise vorgeschlagen, im innerdeutschen Verhältnis an die "Staatsbürgerschaft" anzuknüpfen.[31] Das führte insbesondere bei Journalisten, Diplomaten und anderen Personen, die sich länger in einem Teil Deutschland aufhielten, ohne die Verbundenheit mit dem anderen Teil aufzugeben, zu angemessenen Ergebnissen. Die Rechtsprechung und überwiegende Lehre lehnten dies aber unter Berufung auf die einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit ab.[32] Bei Personen, die sich nur vorübergehend im anderen Teil Deutschlands aufhielten, wurde die Anwendung des Rechts des Teils Deutschlands, dem sie sich zugehörig fühlten, auf andere Weise gewährleistet.[33] Divergenzen ergaben sich am ehesten bei den DDR-Flüchtlingen, die aus DDR-Sicht weiterhin als DDR-Staatsbürger behandelt wurden, für die aber aus westlicher Sicht wegen ihres gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland das BGB galt.

 

Rz. 21

Ab dem 1.9.1986 bestand zusätzlich die Möglichkeit, für im Westen belegenes unbewegliches Vermögen in entsprechender Anwendung von Art. 25 Abs. 2 EGBGB n.F. die Geltung des BGB zu wählen.

[28] So schon Martin Wolff, Das Internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. 1954, S. 92; von Bar, Internationales Privatrecht I, 1986, Rn 290.
[29] Allgemeine, wenn auch umstrittene Ansicht (siehe Kegel/Schurig, 9. Aufl. 2014, § 12 II 2 b cc, S. 431 ff.).
[30] Siehe den Fall BGH ZErb 2001, 93; vgl. auch BGH FamRZ 1995, 481; BayObLG FamRZ 1996, 189, 190; Palandt/Weidlich, Art. 235 EGBGB Rn 5; Haas/Sieghörtner, in: Bengel/Reimann, Handbuch Testamentsvollstreckung, IX Rn 113.
[31] So z.B. Firsching, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 1987, S. 131; Heldrich, NJW 1978, 2169 f.; MüKo-BGB/Sonnenberger, 1983, Einl. IPR Rn 124.
[32] Z.B. BGHZ 91, 186, 196; BGH IPRax 1995, 114, 11; OLG Hamm FamRZ 1995, 758, 759; OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 270, 272; OLG Karlsruhe OLGZ 1977, 399, 400; Soergel/Kegel, 11. Aufl. 1983, Vor Art. 7 EGBGB Rn 189; Wengler, NJW 1981, 903, 904.
[33] Siehe de Leve, Erbrecht, S. 44 m.w.N.; vgl. MüKo-BGB/Birk, 2. Aufl. 1990, Art. 25 EGBGB Rn 361; Heldrich, NJW 1987, 2169, 2170. Für in der DDR lebende Westdeutsche ohne DDR-Staatsbürgerschaft ergab sich die Geltung des BGB ohnehin schon aus einer – auch im interlokalen Verhältnis in entsprechender Anwendung von Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB beachtlichen – Rückverweisung durch das RAG-DDR.

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