Frank-Michael Goebel, Regine Förger
Rz. 130
Grundsätzlich ist das zuzustellende Schriftstück an den Adressaten selbst zuzustellen. Sodann ist zunächst die Zustellung an einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter zu veranlassen, der sich entsprechend legitimieren kann. Ist dies nicht möglich – was häufig vorkommt –, weil der Adressat nicht erreicht wird, so kann es nach § 178 ZPO auch an einzelne, gesetzlich bestimmte andere Personen als Empfänger für den Adressaten zugestellt werden. Dabei geht der Gesetzgeber dem Grunde nach davon aus, dass die bestimmten Empfänger eine besondere Nähe zum Adressaten aufweisen.
Rz. 131
Die Ersatzzustellung kommt nur bei der Zustellung eines Schriftstückes mittels Zustellungsurkunde oder unmittelbar an der Amtsstelle in Betracht.
Rz. 132
Nach § 180 ZPO ist darüber hinaus eine besondere Form der Ersatzzustellung durch die Einlegung des zuzustellenden Schriftstückes im Briefkasten oder einer vergleichbaren Vorrichtung geschaffen worden.
a) Die Ersatzzustellung an einen Empfänger
Rz. 133
Wenn der eigentliche Adressat eines Schriftstücks im vorbeschriebenen Sinn in seiner Wohnung, in seinem Geschäftsraum und – über die alte Regelung in den §§ 181, 183, 184 ZPO a.F. hinausgehend – in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der er wohnt, nicht angetroffen wird, kann wie folgt zugestellt werden:
Rz. 134
Zunächst kann die Ersatzzustellung an einen in der Wohnung anwesenden erwachsenen Familienangehörigen erfolgen. Als Familienangehörige i.S.v. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind anzusehen:
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der Ehegatte, |
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der Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, |
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das durch Verwandtschaft verbundene Familienmitglied, |
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das durch Schwägerschaft verbundene Familienmitglied, |
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das erwachsene Pflegekind, |
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die Pflegeeltern. |
Rz. 135
Zur Bestimmung, ob die Zustellungsadresse eine Wohnung des Adressaten betrifft, ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Wohnung liegt an dem Ort vor, wo der Adressat seinen Lebensmittelpunkt hat. Maßgeblich ist also weder der Wohnsitzbegriff nach § 7 BGB noch der Ort der polizeilichen Meldung. Maßgeblich ist der Ort, an dem sich der Adressat regelmäßig aufhält und wo er schläft.
Rz. 136
Als Wohnung kommen danach auch in Betracht:
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ein Wohnwagen, |
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ein Hotelzimmer, |
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eine Truppenunterkunft, |
Rz. 137
Hinweis
Dies gilt allerdings nur für den Zeit- und Berufssoldaten uneingeschränkt, da der Wehrdienst die Wohnungseigenschaft der Hauptwohnung nicht aufhebt, so dass der Wehrpflichtige über zwei Wohnungen verfügt. In beiden kann demgemäß eine originäre Zustellung erfolgen, in der Hauptwohnung eine Ersatzzustellung nach § 178 Nr. 1 ZPO und in der Truppenunterkunft eine Ersatzzustellung nach § 178 Nr. 3 ZPO.
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ein Verwaltungsgebäude, |
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ein Wochenendhaus, wenn sich der Adressat dort dauerhaft aufhält, |
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ein Seeschiff, Binnenschiff, Kriegsschiff oder Handelsschiff. |
Rz. 138
Tipp
Hier kann die Zustellung nach § 168 Abs. 2 ZPO auf Anordnung des Prozessgerichts auch durch die Wasserschutzpolizei, die Hafenbehörde oder Bundesmarine erfolgen.
Rz. 139
Unterhält eine Person zugleich mehrere Wohnung, kann in jeder Wohnung eine originäre Zustellung sowie eine Ersatzzustellung erfolgen. Dabei ist unerheblich, in welcher Wohnung sich der Betroffene tatsächlich gerade aufhält.
Rz. 140
Befindet sich der Adressat für länger als zwei Monate in Haft, ist die Wohnungseigenschaft aufgehoben und die Zustellung muss in der Haftanstalt erfolgen.
Rz. 141
Tipp
Ist eine Ersatzzustellung, insbesondere an die Ehefrau des in Haft befindlichen Adressaten erfolgt und erfährt der Zustellende von der Haft, sollte er die Zustellung in der Haftanstalt wiederholen, damit spätere Rechtsnachteile vermieden werden.
Rz. 142
Befindet sich der Adressat im Krankenhaus, wird die Möglichkeit der Zustellung in seiner Wohnung auch dann nicht aufgehoben, wenn der Krankenhausaufenthalt mehrere Monate dauert, solange und soweit der Adressat sich um seine Belange noch bemüht.
Rz. 143
Tipp
Da es sich hierbei um eine Tatfrage handelt, sollte allen Problemlagen dadurch aus dem Weg gegangen werden, dass eine "erneute" Zustellung im Krankenhaus veranlasst wird. Wird der Adressat dort wegen einer aktuellen Untersuchung nicht angetroffen oder darf er wegen seiner Krankheit nicht aufgesucht werden, so kann eine Ersatzzustellung an den Leiter des Krankenhauses oder den von ihm ermächtigten Vertreter nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgen.
Rz. 144
Eine Ersatzzustellung kann dann auch an eine in der Wohnung der Familie beschäftigte Person erfolgen. Hierunter ist jede Person zu verstehen, die im Haushalt des Adressaten für diesen oder ein Familienmitglied Dienstleistungen erbringt, wenn dies auf Dauer angelegt ist. Nicht ausreichend ist also eine kurzzeitige Aushilfstätigkeit. Ob auch ein Anstellungsverhältnis zum Adressaten besteht, ist unerheblich, so dass auch die vom Unternehmen des Adressaten angestellte Person, die im Haushalt des Adressaten Dienstleistungen erbringt, als möglicher Empfänger einer Ersatzzustellung anzusehen ist.
Rz. ...