Frank-Michael Goebel, Regine Förger
1. Anwendungsfälle der Zustellung im Parteibetrieb
Rz. 292
Grundsätzlich sind Schriftstücke im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zuzustellen. Eine Zustellung im Parteibetrieb kommt demgegenüber nur dort in Betracht, wo diese zugelassen oder sogar ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Rz. 293
Checkliste der zugelassenen und vorgeschriebenen Fälle der Zustellung im Parteibetrieb
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Zustellung eines Vollstreckungsbescheides, der der Partei auf Antrag zur Zustellung im Parteibetrieb nach § 699 Abs. 4 S. 1 und 2 ZPO übergeben wurde HinweisEine solche Verfahrensweise und damit ein Absehen von der Zustellung von Amts wegen kann dann sinnvoll sein, wenn nach der Erfahrung des Rechtsanwaltes die Zustellung von Amts wegen längere Zeit in Anspruch nimmt und damit eine zeitnahe und effektive Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel behindert wird. |
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Zustellung von im Beschlusswege erlassenen Arrestbefehlen und einstweiligen Verfügungen nach §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO HinweisErfolgt eine Zustellung entgegen der gesetzlichen Regelung in der falschen Zustellungsart (Amtsbetrieb statt Parteibetrieb bzw. umgekehrt), wird dieser Mangel nicht durch den tatsächlichen Zugang nach § 189 ZPO geheilt. |
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§ 750 ZPO – Vollstreckungstitel HinweisZur Beschleunigung der Zwangsvollstreckung kann der Gläubiger auch einen Titel, der von Amts wegen zuzustellen wäre, im Parteibetrieb zustellen. Beachtet werden muss dabei aber, dass in diesen Fällen auch noch die Zustellung von Amts wegen erforderlich ist, wenn hiervon Rechtsmittelfristen abhängen. |
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Zustellung des Nachweises der erbrachten Sicherheitsleistung, § 751 Abs. 2 ZPO |
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Nachweis des Annahmeverzuges bei der Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Anspruchs ohne Anbieten der Gegenleistung nach §§ 756, 765 ZPO |
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Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen nach §§ 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO an den Drittschuldner und den Schuldner |
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Zustellungen nach § 846 ZPO bei der Vollstreckung von Herausgabeansprüchen |
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Zustellungen wegen der Pfändung und Überweisung von anderen Vermögensrechten nach §§ 857, 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO |
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Zustellungen im Rahmen der Vollstreckung in die Schiffspart nach §§ 858 Abs. 3, 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO |
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Zustellung der Benachrichtigung nach § 845 ZPO – Vorpfändung |
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Zustellung des Verzichtes hinsichtlich der Rechte aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an den Schuldner und den Drittschuldner nach § 843 ZPO |
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Zustellung von Willenserklärungen nach § 132 BGB |
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Materiell-rechtliche Erklärungen nach vertraglicher Bestimmung |
Rz. 294
Hinweis
Eine Willenserklärung nach § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt im außergerichtlichen Verkehr nur dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach §§ 192 ff. ZPO zugestellt worden ist. Eine Zustellung im unmittelbaren Parteiauftrag in anderer Form, etwa durch ein Postunternehmen i.S.d. § 33 PostG genügt also nicht.
Rz. 295
§ 191 ZPO ordnet an, dass für die Zustellungen im Parteibetrieb zunächst die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen gelten, sofern sich aus den §§ 191–195 ZPO keine abweichenden Bestimmungen ergeben. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen unter Rdn 10–291 verwiesen werden.
2. Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher
Rz. 296
Die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt nach § 192 ZPO grundsätzlich durch den Gerichtsvollzieher. An diesen ist der Zustellungsantrag zu richten. Dem Antrag ist die erforderliche Anzahl an Abschriften des zuzustellenden Schriftstückes beizufügen. Der Gerichtsvollzieher erhält für die persönliche Zustellung die Gebühr nach Nr. 100 KVGvKostG in Höhe von derzeit 10 EUR.
Rz. 297
Hinweis
Der Rechtsanwalt kann die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke selbst vornehmen. Hat er unbeglaubigte Abschriften übersandt, beglaubigt der Gerichtsvollzieher diese. Zugleich kann er auch fehlende Abschriften selbst erstellen. Diese zusätzlichen Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers sind allerdings auch zusätzlich zu vergüten und zwar nach Nr. 102, 700 KVGvKostG mit 0,50 EUR je Seite für die ersten 50 Seiten und je 0,15 EUR ab der 51. Seite (in Farbe: 1 EUR bzw. 0,30 EUR/Seite).
Rz. 298
Die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers bestimmt sich nach § 14 der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA) und danach nach dem Wohnsitz bzw. Sitz des Adressaten.
Rz. 299
Tipp
Da § 14 S. 1 GVGA nur die persönliche Zustellung anführt, kann allerdings auch der Gerichtsvollzieher, in dessen Bezirk die zustellende Partei ihren Sitz bzw. Wohnsitz hat, die Zustellung durch Aufgabe zur Post nach § 193 Abs. 1 S. 2 ZPO veranlassen. Dies führt regelmäßig zu einer deutlichen Beschleunigung der Zustellung.
Rz. 300
Ist der nach § 14 GVGA örtlich zuständige Gerichtsvollzieher nicht bekannt, so kann die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des zuständigen Amtsgerichts in Anspruch genommen werden.
Rz. 301
§ 15 GVGA bestimmt hierzu: Die Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nur in den gesetzlich bestimmten Fällen zulässig (zum Beispiel § 829 Abs. 2, § 835 Abs. 3 Z...