Rz. 384
Hier muss grundsätzlich zwischen der Anfechtung des abstrakten Erbverzichts und der Anfechtung des dem Erbverzicht zugrunde liegenden Kausalgeschäfts unterschieden werden.
Rz. 385
Die Anfechtung des abstrakten Erbverzichts wegen Irrtums, Drohung und Arglist richtet sich nach den §§ 119 ff. BGB, da es sich insoweit um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt. Ein reiner Motivirrtum ist daher anders als bei § 2078 Abs. 2 BGB unbeachtlich. Die Anfechtung kann nur zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen. Der Zugang der Anfechtungserklärung hat spätestens bis zum Tode des Erblassers demjenigen gegenüber zu erfolgen, gegenüber dem sie abzugeben ist. Ob auch der Erblasser selbst den Erbverzicht anfechten kann, ist streitig.
Rz. 386
Mit der wirksamen Anfechtung erlangt der Verzichtende dieselbe Rechtsstellung wieder, die er vor dem Verzicht hatte, wohingegen die Anfechtung des Kausalgeschäfts, das dem Erbverzichtsvertrag zugrunde liegt, nur bewirkt, dass der Vertrag gemäß §§ 142 Abs. 1, 812 BGB rückabzuwickeln ist.
Rz. 387
Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht als schuldrechtlicher Vertrag kann nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 119 ff. BGB anfechtbar sein. Arglistige Täuschung ist anzunehmen, wenn der Erblasser den Verzichtenden über Umfang oder Wert des Vermögens (und dereinstigen Nachlasses) getäuscht hat, wobei diese Täuschungshandlung auch in einem Verschweigen liegen kann.
Rz. 388
Eine Anfechtung wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften nach § 119 Abs. 2 BGB ist möglich bei einem Irrtum über die wertbildenden Faktoren oder den Bestand des gegenwärtigen Vermögens des Erblassers, sofern dies als Berechnungsgrundlage für die Höhe der Abfindung gedient hat. Es bedarf insoweit allerdings eines erheblichen Bewertungsfehlers.
Rz. 389
Auch hier muss die Anfechtung zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen, da es sich auch insoweit um ein reines Rechtsgeschäft unter Lebenden gehandelt hat.
Falls das Kausalgeschäft durch die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, erfassen die entsprechenden Nichtigkeitsgründe zumeist auch den abstrakten Erbverzicht mit der Folge, dass der Erblasser die Herausgabe der geleisteten Abfindung nach Bereicherungsrecht verlangen kann.
Rz. 390
Sofern allerdings nur das Kausalgeschäft, nicht aber der abstrakte Erbverzicht nichtig ist, kann der Verzichtende zusätzlich die vom Erblasser durch den Erbverzicht erworbene vorteilhafte Rechtsstellung nach Bereicherungsrecht herausverlangen (streitig). Praktisch erfolgt die Herausgabe durch Aufhebung des Verzichtsvertrages gemäß § 2351 BGB, was nach dem Tode des Erblassers allerdings nicht mehr möglich ist mit der Folge, dass dann anstelle der Aufhebung des Verzichtsvertrages durch die Erben Wertersatz hinsichtlich des Erbteils, auf den verzichtet wurde, gemäß § 818 Abs. 2 BGB geleistet werden muss.
Rz. 391
Der Verzicht kann gemäß § 2346 Abs. 2 BGB lediglich auf den Pflichtteil beschränkt werden. Umfasst werden hiervon außer dem ordentlichen Pflichtteil auch der Pflichtteilsrestanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch. Für die Anfechtung dieses Verzichts gilt dann das oben Gesagte entsprechend.
(Zur Anfechtung der Annahme einer Erbschaft vgl. Rdn 403 ff.).