Rz. 139
Mit dem Eintritt einer Haftungsbeschränkungsmaßnahme werden die Erben gem. § 1978 BGB trotz ihrer Stellung als Rechtsinhaber an allen Nachlassgegenständen rückwirkend auf den Erbfall wie Verwalter fremden Vermögens behandelt, ihnen wird im Nachhinein quasi ein Auftragsverhältnis "untergeschoben", wonach sie als Beauftragte der Nachlassgläubiger zu handeln hatten. Die Erben, die nach dem erbrechtlichen Haftungssystem ihre Haftung beschränken, sollen den Nachlassgläubigern eine etwaige Verminderung der Haftungsmasse des Nachlasses wie ein außenstehender Dritter verantworten müssen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Verantwortlichkeit vor Erbschaftsannahme und für die Zeit danach.
a) Verantwortlichkeit vor Annahme der Erbschaft
Rz. 140
Für die erbschaftlichen Geschäfte vor Erbschaftsannahme gelten die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Erben sind vor der Annahme nur ausnahmsweise zum Tätigwerden für den Nachlass verpflichtet, wenn sie bereits zu einem vorangegangenen Zeitpunkt aktiv die Führung eines erbschaftlichen Geschäfts übernommen oder sie die Möglichkeit der Abwehr von die Zwangsvollstreckung in den Nachlass betreibenden Eigengläubigern nicht wahrgenommen hatten. Nach dem Verlust des Ausschlagungsrechts soll der Erbe jedoch zur Verwaltung des Nachlasses verpflichtet sein.
Im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung haben die Erben stets auf den objektiv zu verstehenden potentiellen Willen und die Interessen der Gesamtheit der Nachlassgläubiger Rücksicht zu nehmen.
b) Verantwortlichkeit nach Annahme der Erbschaft
Rz. 141
Nach Annahme der Erbschaft werden die Erben so behandelt, als hätten sie fremdes Vermögen verwaltet – wie Beauftragte der Nachlassgläubiger, § 1978 Abs. 1 S. 1 BGB.
Eine dingliche Surrogation hat das Gesetz hier nicht vorgesehen mit der Folge, dass gegenüber den Erben nur schuldrechtliche Ansprüche bestehen können.
Die Erben haften für die ordnungsgemäße Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses und haben ihn mitsamt den Nutzungen an den Nachlassverwalter herauszugeben (§§ 667, 1984 BGB). Denkbar sind auch Schadensersatzansprüche des Nachlasses gegen die Erben wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Die Erben haften insoweit mit ihrem Eigenvermögen ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung.
Fiktion der Nachlasszugehörigkeit: Ersatzansprüche gegen die Erben nach § 1978 Abs. 1 BGB gelten gem. § 1978 Abs. 2 BGB als zum Nachlass gehörend und erhöhen den Aktivbestand des Nachlasses. Durch die Zurechnung zum Nachlass ist sichergestellt, dass Ersatz- und Erstattungsansprüche gegen die Erben einheitlich im Interesse aller beteiligten Nachlassgläubiger durchgesetzt werden, wobei nur noch der Nachlass- bzw. Insolvenzverwalter anspruchsberechtigt ist. Die Erben haften insoweit unbeschränkt trotz ihrer sonstigen beschränkten Haftung durch Herbeiführung von Haftungsbeschränkungsmaßnahmen in Form der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens.
c) Pflicht zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens
Rz. 142
§ 1980 Abs. 1 S. 1 BGB ergänzt das Pflichtenprogramm des Erben noch insofern, als diesem auferlegt wird, sobald ihm dies zumutbar ist, das Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen.
§ 1980 Abs. 1 S. 2 BGB begründet eine Schadensersatzpflicht des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern, wenn er die ihm auferlegte Pflicht zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens verletzt. Haftungsmaßstab sind Vorsatz und gem. Abs. 2 S. 1 Fahrlässigkeit, die vom Gesetz vermutet wird, wenn das Gläubigeraufgebot (§§ 1970 ff. BGB) nicht durchgeführt wird, obwohl es für den Erben nahe gelegen hätte, diese Form der Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten zu wählen.
Die Verpflichtung des Erben, die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, ist nur begründet, wenn sich zeigt, dass der Nachlass überschuldet ist oder Zahlungsunfähigkeit besteht. Der Erbe soll aber nach Annahme der Erbschaft trotz eines schwebenden Erbprätendentenstreits und deswegen angeordneter Nachlasspflegschaft aus § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet sein, Insolvenzantrag zu stellen. Es stellt sich insoweit jedoch die Frage, wie er seine Antragsberechtigung darlegen soll? Im Rahmen der Schadensersatzpflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist dem Erben die schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrags durch den Nachlasspfleger nicht gem. §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen.