Rz. 221
Direkt aus dem grundgesetzlichen Auftrag zur Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder (Art. 6 Abs. 5 GG) leitet das BVerfG einen Auskunftsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seine Mutter auf Benennung seines Vaters ab. Die Grundrechte des Kindes können hierbei das einer Auskunftspflicht auf Seiten der Mutter entgegenstehende allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG überwiegen. Als Anspruchsgrundlage wird § 1618a BGB – Beistandspflicht – herangezogen.
Aber die Gerichte haben zwischen dem Anspruch des Kindes auf Benennung des Vaters und dem Interesse der Mutter auf Geheimhaltung einen weiten Abwägungsspielraum.
Dazu das BVerfG:
Zitat
"1. Das aus GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den engeren persönlichen Lebensbereich und darüber hinaus die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, inwieweit und gegenüber wem er persönliche Lebenssachverhalte offenbart (vgl. Grundsatzurteil zum Volkszählungsgesetz, BVerfG, 15.12.1983,1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1, 43f). Allerdings ist dieses Recht nicht vorbehaltlos gewährleistet. Der Einzelne hat Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen (vgl. dazu BVerfG a.a.O.)."
2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfaßt zwar auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 verleiht aber kein Recht auf Verschaffung solcher Kenntnisse, sondern kann nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe schützen (vgl. BVerfG, 31.1.1989, 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268f).
3. Die Frage, ob das nichteheliche Kind gegenüber seiner Mutter einen Anspruch auf Benennung des Vaters hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist vielmehr vom Gesetzgeber oder von den Gerichten bei der Wahrnehmung ihrer aus den Grundrechten folgenden Schutzpflicht zu entscheiden. Bei der Erfüllung der Schutzpflicht ist es Aufgabe der jeweils zuständigen staatlichen Organe, zwischen einander gegenüberstehenden Grundrechten abzuwägen und die negativen Folgen zu berücksichtigen, die eine bestimmte Form der Erfüllung der Schutzpflicht haben könnte.“
Eine nichteheliche Tochter hatte ihre Mutter auf Auskunft über Namen und Anschrift ihres leiblichen Vaters in Anspruch genommen. Zur Begründung trug die Tochter vor, sie wolle ihren Vater aus persönlichen Gründen und zur Geltendmachung von Unterhalts- und Erbansprüchen kennen.
Soweit dem Auskunftsbegehren die Geltendmachung von Unterhalts- und Erbansprüchen zugrunde liegt, sind Rechtspositionen tangiert, die gem. Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützt sind.
Dieser Auskunftsanspruch ist gerade im Hinblick auf das seit 1.4.1998 bestehende volle gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes an seinem Vater von besonderer Bedeutung.
In der Zwangsvollstreckung würde ein entsprechendes Urteil gem. § 888 Abs. 1 ZPO durch die Anordnung von Zwangsgeld und ggf. Zwangshaft durchgesetzt werden; der Anordnung des Beugezwanges steht § 888 Abs. 3 ZPO nicht entgegen.
Rz. 222
Exhumierung des Vaters zur Klärung der Abstammung – Beschluss des OLG München vom 19.1.2000, FamRZ 2001, 126:
Zitat
"Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hat Vorrang vor der Achtung der Totenruhe; soweit zur Feststellung der Abstammung erforderlich, haben die Berechtigten der sog. Totenfürsorge daher eine Exhumierung zur Entnahme von Gewebeproben zu dulden. … Die Ehefrau hat auch kein Recht, die Exhumierung ihres verstorbenen Ehemannes und die Entnahme von Gewebeproben zu verweigern. Zwar steht ihr als nächster Angehöriger die sog. Totenfürsorge zu, nachdem davon ausgegangen werden kann, daß der Verstorbene keine anderweitige Bestimmung getroffen hat. … Bei der Ausübung dieses Rechts hat sie den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu beachten und darüber zu wachen, daß die Achtung der Totenruhe nicht verletzt wird. … Einer Exhumierung stehen aber vorliegend weder der Wille des Verstorbenen noch die Achtung der Totenruhe entgegen. Das Recht des ASt. auf Klärung seiner Abstammung ist als übergeordnet zu bewerten. Das Wissen um die eigene Herkunft ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität. … Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung wird vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG erfaßt (vgl. BVerfG, FamRZ 1989, 255 = NJW 1989, 891; FamRZ 1997, 869 = NJW 1997, 1769)."
Eine Exhumierung zum Zwecke der Feststellung der Vaterschaft widerspricht auch im Grundsatz nicht Art. 8 EMRK.