Rz. 57
Um die Interessen der endgültigen Erben zu wahren, bedürfen besonders wichtige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen des Nachlasspflegers der nachlassgerichtlichen Genehmigung. Und dazu gehören im Besonderen Grundstücksgeschäfte.
Aus Gründen der Rechtssicherheit wurde auf eine Generalklausel verzichtet zugunsten einer enumerativen Aufzählung der genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte in § 1821 Abs. 1 Nr. 1–5 BGB. Aus diesem Grunde ist bei der Auslegung von § 1821 BGB formal auf die tatbestandsmäßige Wortbedeutung abzustellen. Nicht der Zweck, sondern die Art des Geschäfts ist für das Erfordernis einer Genehmigung maßgebend.
aa) Verpflichtung zur Grundstücksverfügung
Rz. 58
Regelmäßig ist nicht nur das Verfügungsgeschäft, sondern auch die Eingehung der Verpflichtung zur Verfügung genehmigungspflichtig. Am häufigsten ist der Abschluss eines Kaufvertrags, um liquide Mittel zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten zu erhalten.
Vorlage eines Verkehrswertgutachtens: Weil das Genehmigungserfordernis dem Schutz der Vermögensinteressen der unbekannten Erben dient, wird das Nachlassgericht zur Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises in aller Regel die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens verlangen, sofern nicht eine Auskunft aus der Richtwertekartei (Kaufpreissammlung nach BauGB) ausreicht.
bb) Verfügungsgeschäfte
Rz. 59
Als Verfügungen kommen in Betracht:
1. |
Veräußerung eines Nachlassgrundstücks – Eigentumswohnung ist Grundstücksmiteigentum |
2. |
Belastung eines Nachlassgrundstücks (bspw. Bestellung eines Grundpfandrechts zur Finanzierung des Kaufpreises für den Erwerber) |
3. |
Erfüllung eines Grundstücksvermächtnisses |
4. |
Erfüllung eines Nießbrauchs- oder Wohnungsrechtsvermächtnisses. |
Rz. 60
Wird ein Grundpfandrecht zur Sicherung der Kaufpreisfinanzierung für den Erwerber bestellt, so ist mit einer Genehmigung nur zu rechnen, wenn
1. |
der Grundschuldbetrag nicht über dem Kaufpreis liegt und |
2. |
der Darlehensauszahlungsanspruch des Erwerbers gegenüber dem Kreditgeber gleichzeitig mit der Bestellung des Grundpfandrechts an den Nachlasspfleger abgetreten wird. Andernfalls wäre die Belastung des Nachlassgrundstücks vor Kaufpreiszahlung nicht gerechtfertigt. |
Rz. 61
Die Belastung eines Nachlassgrundstücks mit einer Grundschuld zur Kaufpreisfinanzierung durch den Käufer bedarf auch dann der nachlassgerichtlichen Genehmigung, wenn die im Kaufvertrag enthaltene Belastungsvollmacht bereits genehmigt worden ist.
Rz. 62
Bei der Erfüllung von Vermächtnisansprüchen hat der Nachlasspfleger jedoch darauf zu achten, dass der Nachlass für die Erfüllung aller Nachlassverbindlichkeiten reicht, denn Vermächtnisansprüche haben im Nachlassinsolvenzverfahren Nachrang nach allen anderen Gläubigern, § 327 InsO.
Rz. 63
Bei bestehenden Unsicherheiten muss er vorher zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen das Aufgebot der Nachlassgläubiger beantragen.
Deshalb gibt das Gesetz dem Nachlasspfleger mit dem Aufgebotsverfahren ein Mittel an die Hand, sich darüber einen Überblick zu verschaffen, §§ 454 ff. FamFG.
Antragsrecht des Nachlasspflegers nach FamFG: § 455 Abs. 2 FamFG.
cc) Grundstück im Gesellschaftsvermögen
Rz. 64
Die wirtschaftliche Beteiligung des Erblassers an einem Grundstück, das rechtlich zum Vermögen einer AG, einer GmbH oder auch einer Personengesellschaft gehört, löst die Genehmigungspflicht nicht aus.
Aber: Die Veräußerung von Grundstücken durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck auf eine rein verwaltende Tätigkeit und nicht auf Erwerbstätigkeit gerichtet ist, bei der der Gesellschaftsanteil zum Nachlass gehört, bedarf der Genehmigung.
dd) Beantragung der Teilungsversteigerung
Rz. 65
Die Teilungsversteigerung kommt wirtschaftlich im Ergebnis einer Verfügung über das Nachlassgrundstück gleich. Deshalb bedarf der Antrag des Nachlasspflegers, wenn zum Nachlass lediglich ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück gehört, oder wenn der Nachlasspfleger nur für einen Nachlassteil legitimiert ist, gem. § 181 Abs. 2 S. 2 ZVG der nachlassgerichtlichen Genehmigung.
Fehlt es an einer solchen Genehmigung, die entsprechend der Rechtsprechung zum Zustimmungserfordernis bei der Zugewinngemeinschaft nach § 1365 BGB dem Antrag beizufügen ist, so kann die fehlende Genehmigung vom Antragsgegner als materiellrechtliche Einwendung mit der Widerspruchsklage (analog § 771 ZPO) geltend gemacht werden. Nach Erhebung der Widerspruchsklage kann die einstweilige Einstellung des Verfahrens gem. § 180 Abs. 2 S. 1 ZVG beantragt werden. Eine solche ist möglich, wenn sie bei Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfahrensbeteiligten angemessen erscheint.