Rz. 243

Gem. § 24 Abs. 1, 4 WEG hat der Verwalter mindestens einmal im Jahr eine Wohnungseigentümerversammlung einzuberufen, diese gem. § 24 Abs. 5 WEG zu leiten, anschließend gem. § 24 Abs. 6 WEG eine Niederschrift der Beschlüsse zu fertigen und schließlich gem. § 24 Abs. 7 WEG eine Beschluss-Sammlung zu führen. Im Einberufungsschreiben ist gem. § 23 Abs. 2 WEG der Gegenstand der Beschlussfassungen anzukündigen. In diesen Zusammenhang gehört die Pflicht zur Beschlussvorbereitung: "Einem gewerblich tätigen Verwalter obliegt die sachgerechte Vorbereitung der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung."[346] Man kann darüber streiten, ob sich die Beschlussvorbereitungspflicht aus der Ankündigungs- und Versammlungsleitungspflicht ableitet oder ob sie einem ungeschriebenen, allein aus der Organstellung des Verwalters folgenden Grundsatz entspricht. Der Gesetzgeber der WEG-Reform 2020 hat die Beschlussvorbereitung durch den Verwalter jedenfalls als selbstverständlich vorausgesetzt (→ § 10 Rdn 248).

 

Rz. 244

Die Frage, in welcher Ausführlich- und Gründlichkeit Beschlussfassungen vorzubereiten sind, lässt sich kaum allgemeingültig beantworten. Im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Baumaßnahmen hat die Rspr. einen verhältnismäßig ausdifferenzierten Pflichtenkatalog entwickelt (→ § 4 Rdn 10). Anders verhält es sich, wenn einzelne Wohnungseigentümer verlangen, dass ihnen die Durchführung von baulichen Veränderungen (im eigenen Interesse) gestattet wird. Hier kann der Verwalter die antragstellenden Wohnungseigentümer darauf verweisen, die zur Beschlussfassung erforderlichen Informationen selbst zu beschaffen und vorzulegen.

 

Rz. 245

Zur Beschlussvorbereitung gehört auch die Formulierung eines ausreichend bestimmten Beschlusstextes. Eine "anfechtungssichere" Formulierung ist allerdings kein leichtes Unterfangen. In der (insbesondere untergerichtlichen) Rspr. der letzten Jahre wurden die Anforderungen an die Bestimmtheit immer höher geschraubt (→ § 2 Rdn 53, → § 4 Rdn 20), was zur Folge hat, dass auch alltägliche Beschlüsse ohne fachanwaltliche Hilfe kaum mehr anfechtungssicher zu formulieren sind. Die derzeit etablierten Maßstäbe für die inhaltliche Bestimmtheit von Beschlüssen können deshalb nicht 1:1 als Maßstab für die entsprechenden Verwalterpflichten herangezogen werden. Nicht jeder Fall, in dem ein Gericht einen Beschluss wegen mangelnder Bestimmtheit für ungültig erklärt, ist zwangsläufig ein Haftungsfall für den Verwalter, denn vom Verwalter können nicht die Formulierungskünste eines Fachanwalts oder Notars verlangt werden.

 

Rz. 246

Besonderer Betrachtung bedarf schließlich die Situation, dass der Verwalter auf Verlangen einzelner Eigentümer über die von ihnen eingebrachten Beschlussanträge abstimmen lässt. Einerseits trägt der Verwalter für das Ergebnis, also für die Bestimmtheit gefasster Beschlüsse, auch dann eine (Mit-)Verantwortung, wenn die Anträge nicht von ihm stammen; deshalb muss er dem Antragsteller bei der Formulierung eventuell helfen. Auf der anderen Seite hat jeder Eigentümer ein eigenes Antragsrecht und kann darauf bestehen, dass über seine Anträge unverändert abgestimmt wird; der Verwalter kann und muss Verbesserungsvorschläge nicht gegen den Willen des Antragstellers durchsetzen. Die Verwalterpflicht, auf eine anfechtungssichere Formulierung hinzuwirken, ist desto geringer, je mehr der antragstellende Eigentümer auf seiner eigenen Formulierung besteht. Wenn der Verwalter Bedenken in puncto Bestimmtheit hat, muss er die Wohnungseigentümer aber, sofern mit einem positiven Beschlussergebnis zu rechnen ist, auf diese Bedenken hinweisen, um einer eigenen Haftung zu entgehen, denn "auf ein bestehendes Anfechtungsrisiko muss er hinweisen. … Die Erteilung von Hinweisen dieser Art in der Eigentümerversammlung, die notwendigerweise auch rechtliche Erwägungen enthalten, gehört zu dem Kerngeschäft eines Berufsverwalters …".[347] Die Vorbereitungs- und Hinweispflichten sind hingegen geringer oder entfallen im Einzelfall ganz, wenn nicht mit einem positiven Beschlussergebnis zu rechnen ist.

 

Rz. 247

 

Praxistipp

Immer wieder kommt es vor, dass einzelne Eigentümer den Verwalter dazu drängen, Beschlussgegenstände für eine anstehende Versammlung anzukündigen ("auf die Tagesordnung zu nehmen"), bei denen bereits abzusehen ist, dass die Mehrheit daran kein Interesse hat und deshalb ein positiver Beschluss nicht zu erwarten ist. Verwaltern ist zu raten, sich nicht gegen die Ankündigung zu sträuben (→ § 7 Rdn 49). Das bedeutet aber nicht, dass solche Beschlüsse in gleicher Weise vorzubereiten wären wie Beschlüsse, die voraussichtlich zustande kommen oder die objektiv erforderlich sind. Vielmehr wäre es Zeitverschwendung, Mühe auf die Vorbereitung und Formulierung von Beschlussanträgen zu verwenden, die voraussichtlich nicht beschlossen werden. Wenn solche Anträge keine Mehrheit finden, ist es aus Sicht der Mehrheit sogar geradezu nützlich, wenn die Vorbereitung unzureichend und der Beschlusstext unbestimmt war. Der erfol...

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