Rz. 249
Gem. § 18 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen. Erfüllt wird der Anspruch (wie alle Verwaltungsangelegenheiten) durch den Verwalter. Soll der Anspruch aber durchgesetzt werden, ist die Klage gegen die Gemeinschaft zu richten.
Rz. 250
Das auch schon vor der WEG-Reform 2020 anerkannte Einsichtnahmerecht ist ein scharfes Schwert in der Hand der Wohnungseigentümer und wird von Verwaltern nicht selten als unzumutbare Sonderbelastung empfunden. Die Einsichtnahme wird deshalb mitunter aus den folgenden Gründen verweigert:
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Das Einsichtnahmerecht stehe nur dem Verwaltungsbeirat als dem zur Kontrolle berufenen Organ der Gemeinschaft zu; |
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die Einsichtnahme sei nach der Genehmigung der Jahresabrechnung bzw. nach Fassung des Beschlusses über Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse nicht mehr erforderlich; auch sei der Verwalter überfordert, wenn jeder Eigentümer dieses Recht geltend machen würde; |
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die Einsicht sei unzulässig, soweit die Buchungsunterlagen anderer Miteigentümer betroffen seien (Datenschutz). |
Rz. 251
Diese und ähnliche Einwände sind irrelevant. Der einzelne Eigentümer muss die Verwaltung wirksam kontrollieren können und hat deshalb Anspruch auf Einsicht in sämtliche Abrechnungsunterlagen (Belege, Saldenlisten bezüglich der Einnahmen und Ausgaben usw.) und insbesondere in die Einzelabrechnungen der Miteigentümer. Er muss grundsätzlich kein besonderes Interesse an der Einsichtnahme nachweisen und kann die Einsicht auch nach der Beschlussfassung über Nachschüsse usw. auf Basis einer Jahresabrechnung verlangen. Begrenzt wird das Einsichtnahmerecht lediglich durch die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot (§ 226 BGB). Die Art und der Umfang sowie die Dauer der Einsichtgewährung richten sich nach dem Umfang der Belege und dem jeweiligen Informationsbedürfnis. Dem Eigentümer sind sämtliche Unterlagen zur Überprüfung vorzulegen. Wie der BGH im Mietrecht entschieden hat, sind Belege grundsätzlich im Original vorzulegen. Aber die Eigenschaft als "Original" verliert in Zeiten der Digitalisierung rapide an Bedeutung, da Rechnungen und Belege aller Art zunehmend nur noch elektronisch ausgestellt werden. Der BGH hat (im Mietrecht) dementsprechend Ausnahmen vom Grundsatz zugelassen. Eine solche Ausnahme dürfte vorliegen, wenn die Originale nach dem Einscannen vernichtet wurden, wie es bei einer modernen Verwaltung (bald) der Normalfall sein wird. Die Einsichtnahme erfolgt am Geschäftssitz des Verwalters, wenn dieser nicht weit entfernt von dem betroffenen Objekt liegt. Die Hinzuziehung eines Beistands (Rechtsanwalt, Steuerberater) ist zulässig und zu empfehlen. Ein Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen besteht nicht. Ob ein Anspruch auf Fertigung und Aushändigung von Kopien durch den Verwalter besteht ist streitig, nach zutreffender h.M. aber (gegen Kostenerstattung) zu bejahen, weil es dem Miteigentümer nicht zugemutet werden kann, handschriftliche Abschriften zu fertigen; auch Handyfotografien sind kein adäquater Ersatz für Kopien.
Rz. 252
Die Übersendung von Unterlagen (Kopien per Post, als Pdf.-Datei per E-Mail oder auf andere Weise) würde dem Eigentümer die Fahrt zum Verwalterbüro zwecks Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen ersparen. Trotzdem soll der Verwalter dazu grundsätzlich nicht bzw. nur dann, "wenn Treu und Glauben es gebieten", verpflichtet sein. Diese restriktive Auffassung lässt sich in Zeiten fortschreitender Digitalisierung nicht mehr rechtfertigen. "Belege" befinden sich zunehmend nur noch auf Datenträgern, weshalb die Einsicht in den herkömmlichen Ordner mit Papieren ein "Auslaufmodell" darstellt; die Digitalisierung von Unterlagen entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung (→ § 6 Rdn 14). Wenn man bedenkt, welch geringer Aufwand heutzutage mit der elektronischen Versendung von Unterlagen verbunden ist (zumal, wenn diese beim Verwalter bereits digitalisiert vorliegen), kann es regelmäßig nur auf Schikane beruhen, wenn der Verwalter Unterlagen nicht übersendet, sondern darauf besteht, den Einsicht begehrenden Eigentümer im Verwalterbüro "antanzen" zu lassen. Nach Treu und Glauben haben die Wohnungseigentümer deshalb grundsätzlich Anspruch darauf, gegen Kostenerstattung Unterlagen in digitaler Form zu erhalten.