Rz. 34

Für die Beschlussfassung gelten die allgemeinen Regeln. Die Abstimmung muss nicht geheim erfolgen, was aber oftmals sinnvoll ist. Die Stimmkraft richtet sich (ganz "normal") nach dem gesetzlichen oder einem etwaigen abweichenden in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Stimmkraftprinzip.[37] Die Beschlussfassung ist einfach, wenn sich nur ein Kandidat bewirbt. Dann kommt ein (positiver) Beschluss zustande, wenn mehr Ja- als Nein-Stimmen auf den Antrag bzw. Bewerber entfallen. Stehen hingegen zwei oder mehr Bewerber zur Wahl, kann über sie entweder gleichzeitig (in einem einzigen Wahlgang) oder nacheinander abgestimmt werden. Da es verschiedene Möglichkeiten gibt (und keine davon gesetzlich vorgeschrieben ist), muss zunächst das Wahlverfahren festgelegt werden. Diese Festlegung obliegt dem Versammlungsleiter, sofern ihm nicht die Versammlung per Verfahrensbeschluss (sog. Geschäftsordnungsbeschluss) Vorgaben macht.[38] Zu beachten ist, dass bei mehr als zwei Bewerbern die relative Mehrheit nicht genügt.[39] Der Versammlungsleiter sollte das von ihm beabsichtigte Wahlverfahren vorab erläutern und es ggf. durch Verfahrensbeschluss bestätigen lassen. Einzelheiten werden in den folgenden beiden Beispielen erläutert.

 

Rz. 35

 

Beispiel: Einzelabstimmungen

Anwesend oder vertreten sind 30 Eigentümer. Es gilt das Kopfstimmrecht, jeder Eigentümer hat also eine Stimme. Zur Wahl stehen die Bewerber A, B und C.

Der Verwalter gibt den Verfahrensmodus bekannt: "Abgestimmt wird über die Kandidaten je einzeln. Jeder Wohnungseigentümer hat eine Ja-Stimme. Man kann also nur einmal einem Kandidaten seine Stimme geben. Nein-Stimmen und Enthaltungen werden nicht abgefragt. Wer sich enthalten will, gibt keine Stimme ab. Erlangt im ersten Wahlgang ein Kandidat die absolute Mehrheit, ist er gewählt. Ansonsten wird in einem zweiten Wahlgang eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten durchgeführt."

Zuerst wird über A abgestimmt. Ergebnis: 16 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen, 4 Enthaltungen.

Beschlussfeststellung: A ist bestellt. Er hat nämlich die absolute Mehrheit erlangt. Über B und C muss nicht mehr abgestimmt werden.

Variante: Zuerst wird über A abgestimmt. Ergebnis: 14 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen, 6 Enthaltungen. In diesem Fall darf A nicht sogleich zum Sieger erklärt werden; ein entsprechender Beschluss wäre anfechtbar. Vielmehr muss der Wahlgang fortgesetzt werden. Denn B oder C könnten genauso viele oder mehr Ja-Stimmen als A erlangen und deshalb schon im ersten Wahlgang siegen.[40] Erlangen danach weder B noch C die absolute Mehrheit, kommt es zur Stichwahl (dazu im folgenden Beispiel).

 

Rz. 36

 

Beispiel: Gleichzeitige Abstimmung

Anwesend oder vertreten sind 30 Eigentümer. Es gilt das Kopfstimmrecht, jeder Eigentümer hat also eine Stimme. Zur Wahl stehen die Bewerber A, B und C.

Der Verwalter gibt den Verfahrensmodus bekannt: "Abgestimmt wird alle drei Kandidaten gleichzeitig. Jeder Wohnungseigentümer hat eine Ja-Stimme. Man kann also nur einmal einem Kandidaten seine Stimme geben. Nein-Stimmen und Enthaltungen werden nicht abgefragt. Wer sich enthalten will, gibt keine Stimme ab. Erlangt im ersten Wahlgang ein Kandidat mehr Stimmen als die übrigen zusammen, ist er gewählt. Ansonsten wird in einem zweiten Wahlgang eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten durchgeführt."

Abstimmungsergebnis: A erhält 15 Stimmen, B 10 und C 5.

Beschlussfeststellung: Keiner ist gewählt. (A erlangte nicht mehr Stimmen, als auf B und C zusammen entfielen). Ein zweiter Wahlgang mit einer Stichwahl zwischen A und B ist durchzuführen.

Der Verwalter gibt den Verfahrensmodus bekannt: "Jeder Wohnungseigentümer hat eine Ja-Stimme. Man muss sich also für einen der beiden Kandidaten entscheiden. Gewählt ist der Kandidat, der mehr Stimmen als der andere erlangt."

Abstimmungsergebnis der Stichwahl: A erhält 10 Stimmen, B 12. (8 Stimmen wurden nicht abgegeben).

Beschlussfeststellung: B ist bestellt.

Variante: Im ersten Wahlgang erhält A 10 Stimmen, B 5 und C 4. (11 Stimmen wurde nicht abgegeben).

Beschlussergebnis: A ist bestellt. Er hat mehr Stimmen als seine Mitbewerber zusammen.

 

Rz. 37

 

Praxistipps: Verwalterwahl mit mehreren Kandidaten

1. Zumindest, wenn der amtierende Verwalter sich um die Wiederwahl bewirbt, sollte er nicht zugleich die Versammlungsleitung innehaben. Per Verfahrensbeschluss ist hierfür eine geeignete andere (teilnahmeberechtigte) Person – üblich ist die Vorsitzende des Verwaltungsbeirats – zu bestimmen.
2. Wenn möglich sollten die Bewerber sich in der Versammlung persönlich vorstellen. Das hat zum einen den Vorteil, dass sich die Wohnungseigentümer ein eigenes Bild von ihnen machen und die Bewerber die Konditionen ihrer Tätigkeit erläutern können. Zum anderen kann der gewählte Bewerber nach der Beschlussfassung sogleich die Annahme der Bestellung erklären. Schon mit Rücksicht auf den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung dürfen die Bewerber aber weder vor noch nach ihrer Vorstellung im Versammlungsraum anwesend sein. Sie sollten ...

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