Rz. 269
Zur Feststellung des Erhaltungsbedarfs muss der Verwalter regelmäßige Begehungen durchführen (lassen), und zwar – sofern es sich um einen Neubau während der laufenden Gewährleistungszeit handelt – umso intensiver, je näher das Ende der Gewährleistungsfrist rückt. Selbstverständlich muss er auch Mängeln nachgehen, die ihm von einzelnen Miteigentümern mitgeteilt werden. Die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums erfordert die Durchführung verschiedenster Wartungsarbeiten, denn eine Wartung umfasst das Erkennen sowie in gewissem Umfang die Behebung eines festgestellten Erhaltungsbedarfs (kleinere Reparaturen und Ersatz von Verschleißteilen). Insofern umfasst die Pflicht zur Feststellung eines Erhaltungsbedarfs das komplette Programm der Wahrnehmung der grundstücks- und gebäudebezogenen Verkehrssicherungspflichten (→ § 12 Rdn 39). Erforderliche Wartungsarbeiten kann oder will ein Verwalter normalerweise nicht selbst durchführen, sondern muss ein Fachunternehmen damit beauftragen, wozu er nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ohne besondere Beschlussfassung befugt sein dürfte (wobei es auf die gesetzliche Regelung nur ankommt, sofern die Befugnis nicht im Verwaltervertrag geregelt ist).
Rz. 270
Wenn das Gebäude sich noch in der Gewährleistungszeit befindet, muss der Verwalter die Verjährung der Mängelansprüche gegen den Bauträger im Auge behalten. Das mag insofern überraschen, als die Mängelrechte nicht der Gemeinschaft, sondern den Wohnungseigentümern zustehen und der Verwalter "eigentlich" nur die Rechte der Gemeinschaft und nicht die der Wohnungseigentümer wahrzunehmen hat. Der Gemeinschaft obliegt im Rahmen der Erhaltungspflicht aber auch die Beseitigung von Baumängeln, und die Inanspruchnahme des Bauträgers nach vorangegangener "Vergemeinschaftung" der Mängelrechte ist im Normalfall eine sinnvolle und gebotene Maßnahme der Verwaltung, auf die der Verwalter deshalb hinzuarbeiten hat (→ § 5 Rdn 62). In diesem Rahmen hat er die Miteigentümer rechtzeitig auf den drohenden Ablauf der Gewährleistungsfrist wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung beschlossen werden. Deshalb muss der Verwalter wissen, wann das Gemeinschaftseigentum abgenommen wurde, was meistens schwierig ist, denn "zentrale" Abnahmen mit Wirkung für und gegen alle Miteigentümer sind regelmäßig unwirksam bzw. binden daran nicht beteiligte Eigentümer nicht (→ § 5 Rdn 20). Im Zweifel sollte der Verwalter Hinweise auf eine drohende Verjährung und die Möglichkeit zur Beschlussfassung besser zu früh als zu spät geben. Wenn er den Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche schuldhaft nicht verhindert hat, haftet er der Gemeinschaft für den dadurch entstandenen Schaden, was bedeutet, dass er selber die Mangelbeseitigungskosten bezahlen muss.
Rz. 271
Praxistipp
Wenn die Zeit bis zum Ablauf der Verjährungsfrist knapp ist, lässt sich die Situation durch einen vom Bauträger zu erklärenden Einredeverzicht schlagartig entspannen. Die Erklärung (für die Textform genügt) kann lauten: "In Bezug auf etwaige Ansprüche wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums der WEG Musterstraße 4 verzichten wir hiermit, befristet bis zum 31.12.2022 und nur sofern die Ansprüche nicht schon verjährt sind, auf die Einrede der Verjährung." Durch einen Einredeverzicht wird vermieden, dass eine Gemeinschaft alleine zwecks Verjährungshemmung gerichtliche Schritte einleiten muss; das liegt auch im Interesse des Bauträgers. Der Verwalter (oder ein beauftragter Rechtsanwalt) kann dem Bauträger deshalb diesen Vorschlag unterbreiten; zur Annahme verpflichtet ist der Bauträger aber nicht.
Rz. 272
Der "Bauträgerverwalter" (also der mit dem Bauträger identische oder von ihm eingesetzte, mit ihm verbundene oder von ihm abhängige Verwalter) hat bei Baumängeln dieselben Pflichten wie jeder andere Verwalter, auch wenn er dabei auf Ansprüche gegen sich selbst hinweisen muss. Die Interessenkollision schmälert seine Pflichten nicht, kann aber (wenn sie sich "manifestiert") einen wichtigen Grund für seine Abberufung darstellen. Im Ergebnis hat ein Bauträger, der sich selbst als Verwalter einsetzte, gegenüber dem "normalen" Verwalter sogar noch weitergehende Pflichten: Denn der Bauträger ist in Baufragen als besonders fachkundig anzusehen; die Wohnungseigentümer dürfen deshalb erwarten, dass er Mängel (noch mehr als der "normale Verwalter") erkennt und seine Kenntnisse für die Wohnungseigentümergemeinschaft einsetzt, d.h. die Wohnungseigentümer darüber informiert.
Rz. 273
Wenn Mängel und Schäden am Gemeinschaftseigentum aufgetreten sind, muss der Verwalter unverzüglich deren Ursache und Umfang sowie die zur Mangelbeseitigung notwendigen Maßnahmen feststellen lassen. Das gilt auch dann, wenn die Schäden im Bereich des Sondereigentums auftreten, die Ursachen aber im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums liegen können. Während der Verwalter nach alter Rechtslage (bis zur WEG-Reform 2020) aus eigenem Recht nic...