Rz. 292
Wenn die Gemeinschaft verklagt wird, hat der Verwalter grundsätzlich das Recht und die Pflicht zur Verteidigung. Das gilt auch und insbesondere für Beschlussklagen, denn im Normalfall ist der Verwalter als Vollzugsorgan dazu berufen, den Mehrheitswillen gegen eine Anfechtungsklage zu verteidigen (→ § 10 Rdn 260). Im Einzelfall kann es aber auch einmal anders sein. Der Verwalter muss seine Entscheidung, ob er einer Klage entgegentritt oder nicht, am Maßstab ordnungsmäßiger Verwaltung ausrichten. Wenn eine Beschlussanfechtungsklage voraussichtlich erfolgreich sein wird, beispielsweise weil die Gemeinschaft in Kenntnis der Anfechtbarkeit einen rechtswidrigen Beschluss ("Zitterbeschluss") gefasst hat oder weil ein offenkundiger Formfehler vorliegt, muss der Verwalter der Klage nicht entgegentreten; er kann Versäumnisurteil ergehen lassen. Denn es entspricht dem Interesse der Gemeinschaft, keine Kosten in eine voraussichtlich aussichtslose Rechtsverteidigung zu investieren.
Rz. 293
Praxistipp
Aus Kostengründen ist von einem Anerkenntnis abzuraten: Ein kostenbefreiendes sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO gibt es bei der Beschlussanfechtung nicht, und ein Versäumnisurteil verursacht auf beiden Seiten weniger Rechtsanwaltsgebühren. Die Einsparung an Rechtsanwaltsgebühren überwiegt den Nachteil höherer Gerichtsgebühren (3,0-Gebühr gem. Nr. 1210 GKG-KV beim Versäumnisurteil gegenüber 1,0-Gebühr gem. 1211 Nr. 2 GKG-KV beim Anerkenntnisurteil).
Rz. 294
Beschlussklagen hat der Verwalter gem. § 44 Abs. 2 WEG den Wohnungseigentümern unverzüglich bekannt zu machen (Informationspflicht). Zu den Möglichkeiten hat der BGH ausgeführt: "Wie der Verwalter die Wohnungseigentümer informiert, ist seine Sache. Er kann es sachgerecht mündlich auf einer Versammlung der Wohnungseigentümer tun oder durch Versendung von Rundschreiben. Erscheint es geboten, dem einzelnen Wohnungseigentümer eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks zu übermitteln, kann und muss der Verwalter solche Abschriften herstellen lassen." Wenn der Verwalter aus Anlass der Klage nicht sogleich eine Versammlung einberuft, dürfte nur ein Rundschreiben unter Beifügung der Klage und der ersten gerichtlichen Verfügung(en) dem Informationsbedürfnis der Miteigentümer genügen. Die Information muss nicht zwingend per Post und auf Papier erfolgen; der Verwalter kann und sollte die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen (→ § 4 Rdn 15). Entsprechende Regelungen im Verwaltervertrag sind zu empfehlen. Etwaige infolge der Information der Miteigentümer angefallene Kosten gehören nicht zu den Prozesskosten gem. § 91 ZPO. Sollte der Verwalter der Klage einmal nicht entgegentreten, sondern Versäumnisurteil ergehen lassen, muss er die beklagten Miteigentümer nicht nur über den Eingang der Klage, sondern auch darüber unterrichten, dass er keine Maßnahmen zur Verteidigung des Beschlusses ergreifen wird. Damit wird nicht nur ein berechtigtes Informationsinteresse der Eigentümer befriedigt, sondern erhalten diese zugleich die Möglichkeit, dem Prozess als Streithelfer der Beklagten gem. § 66 ZPO beizutreten (sog. Nebenintervention) und der Klage auf eigene Rechnung entgegenzutreten.
Rz. 295
Muster 10.23: Information der Verwaltung über Anfechtungsklage
Muster 10.23: Information der Verwaltung über Anfechtungsklage
Sehr geehrte Eigentümer,
hiermit informieren wir Sie darüber, dass gegen den Beschluss zu TOP 2 der Wohnungseigentümerversammlung vom 9.5.2022 Anfechtungsklage eingereicht wurde. Die Klage nebst Verfügung des Amtsgerichts vom 13.6.2022 ist diesem Schreiben beigefügt. Wir werden der Anfechtungsklage nicht entgegentreten. Die Gründe sind der beigefügten Stellungnahme der von uns beauftragten Anwaltskanzlei Dr. Schlau vom 17.6.2022 zu entnehmen. Es ist jedem Miteigentümer unbenommen, mit oder ohne Rechtsanwalt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung dem Prozess als Streithelfer der Gemeinschaft gem. § 66 ZPO beizutreten und der Klage entgegen zu treten, um den Beschluss zu verteidigen.
Rz. 296
Der Verwalter muss mit der prozessualen Vertretung der Gemeinschaft nicht unbedingt einen Rechtsanwalt beauftragen, sondern kann die Prozessführung in erster Instanz – da vor dem Amtsgericht kein Anwaltszwang besteht – auch selbst übernehmen. Ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz liegt schon deshalb nicht vor, weil dieses nur für außergerichtliche Rechtsdienstleistungen gilt. Auch § 79 ZPO (wonach die Vertretung vor Gericht, wenn eine Partei den Rechtsstreit nicht selbst führt, Rechtsanwälten vorbehalten ist) steht nicht entgegen; denn die Gemeinschaft führt den Rechtsstreit selbst, handelnd durch ihr Organ, den Verwalter. Jedoch ist von der Selbstvertretung abzuraten. Bei eigener Prozessführung würde der Verwalter faktisch in eine Gegnerschaft zu den klagenden Wohnungseigentümern geraten; außerdem ist die professionelle Rechtsanwendung bei Rechtsanwälten besser aufgehoben.
Rz. 297
Im Normalfall wird der Verwalter für die Gemeinschaft einen Rechtsanwa...