Rz. 211
Das Fehlen eines Verwalters kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht wurde schon im Gründungsstadium der Gemeinschaft kein Erstverwalter bestellt; oder es handelt sich um eine kleine Gemeinschaft, die bislang auf einen Verwalter verzichtete; oder der Verwalter wurde ohne gleichzeitige Bestellung eines Nachfolgers abberufen bzw. es wurde der Bestellungsbeschluss erfolgreich angefochten; oder es wurde schlicht das Auslaufen der Bestellungszeit übersehen. Unabhängig vom Grund des Fehlens hat jeder Miteigentümer unter dem Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Verwaltung gem. § 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG einen Anspruch auf Bestellung eines (ggf. zertifizierten) Verwalters. Davon ist auch in kleinen Wohnanlagen (bspw. in einer Zweiergemeinschaft) keine Ausnahme zu machen. Im gerichtlichen Verfahren muss zur Begründung grundsätzlich nicht mehr vorgetragen werden, als dass ein Verwalter fehlt und dass eine Verwalterbestellung durch die Eigentümergemeinschaft nicht möglich war. Trotzdem: eine gerichtliche Verwalterbestellung sieht "auf dem Papier" leichter aus, als sie sich in der Praxis darstellt. Wer diese Mühe auf sich nimmt und dabei doch nur im wohlverstandenen (objektiven) Interesse der Gemeinschaft handelt, muss Zeit und Geld investieren, gerät in eine Gegnerschaft zu seinen Miteigentümern und trägt auch noch ein nicht unbeträchtliches finanzielles Risiko.
Rz. 212
Die gerichtliche Verwalterbestellung erfolgt im Wege der Beschlussersetzung gem. § 44 Abs. 1 S. 2 WEG (allgemein → § 6 Rdn 39). Nach dem zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz ist es Sache des Klägers, dem Gericht Vorschläge zu unterbreiten. Der Plural ist nach herrschender, hier abgelehnter Auffassung grundsätzlich zwingend: Denn, weil nach h.M. eine ordnungsmäßige Beschlussfassung der Gemeinschaft über die Neubestellung der Verwaltung drei Angebote erfordert (→ § 10 Rdn 20), gilt für die gerichtliche Entscheidung, die den Gemeinschaftsbeschluss ersetzt, nichts anderes. Gewissermaßen notgedrungen, im Ergebnis freilich zutreffend (wenn auch auf dem Boden des "Drei-Angebote-Dogmas" inkonsequent) lassen die Gerichte im Zusammenhang mit der gerichtlichen Verwalterbestellung aber immer wieder Ausnahmen zu. So ließ das LG Hamburg "bei einer eilbedürftigen gerichtlichen Bestellung eines (Not-)Verwalters" ein einziges vom Kläger vorgelegtes Angebot genügen; das LG Frankfurt/M. urteilte, die Zahl von drei Vergleichsangeboten sei kein Selbstzweck; das LG Landau befand: "Wenn Schwierigkeiten auftreten, entsprechende Verwaltungsunternehmen zu finden, ist von dem Erfordernis, mehrere Angebote einzuholen, abzusehen. Zuvor müssen aber Bemühungen entfaltet werden. Die Verwaltung zerstrittener, kleinerer WEGs ist gerichtsbekannt nicht beliebt bei Verwaltern." Mindestens ein annahmereifes Angebot muss dem Gericht aber jedenfalls vorliegen. Es genügt deshalb nicht, wenn der Kläger dem Gericht nur die Namen mehrerer aus seiner Sicht geeigneter Verwalter nennt. Vielmehr muss die Bereitschaft der vorgeschlagenen Verwalter zur Verwaltungsübernahme ebenso geklärt sein wie die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit, insbesondere die Höhe der Vergütung. Am besten – wenn nicht sogar zwingend – werden als Anlage zur Klage deshalb vollständige, für das konkrete Objekt angebotene und annahmereife Verwalterverträge vorgelegt – so wie es auch bei der Auswahl eines Verwalters durch die Gemeinschaft geboten ist. Diese u.U. mühsame Suche nach (einem) übernahmewilligen Kandidaten kann der Kläger nicht auf das Gericht abwälzen.
Rz. 213
Wie jede Beschlussersetzungsklage ist auch diejenige auf gerichtliche Verwalterbestellung nur zulässig, wenn ihr der Versuch vorangegangen ist, eine Verwalterbestellung durch die Gemeinschaft zu erreichen (Gebot der Vorbefassung der Gemeinschaft, → § 6 Rdn 41). Das gilt aber nicht, wenn die vorherige Einberufung einer Versammlung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Situation gleicht strukturell derjenigen, bei welcher ein Miteigentümer die Abberufung des Verwalters anstrebt (→ § 10 Rdn 178), mit einem Unterschied: In der hier besprochenen Situation (Antrag auf gerichtliche Verwalterbestellung) fehlt es an einem Verwalter, weshalb der klagende Miteigentümer von vornherein nicht auf die Einberufung einer Versammlung durch den Verwalter hinwirken kann. Wenn es an einem Verwaltungsbeirat fehlt, sind die außergerichtlichen Möglichkeiten erschöpft (sofern man die zwar effektive, aber ungesetzliche Variante der unbefugten Einberufung außen vor lässt, dazu → § 6 Rdn 12); die Regelungsklage muss zulässig sein. Die veröffentlichte Rspr. sieht das aber meist anders und verlangt, dass der Kläger vorgerichtlich alle möglichen Bemühungen unternommen hat; das ist m.E. aber außerhalb von "Kleinstgemeinschaften" eine praxisferne Forderung.
Rz. 214
Praxistipp
Wer die gerichtliche Verwalterbestellung erstrebt, sollte nicht lange fackeln, sondern ohne Umschweife eine Klage bzw. – besser – einen Antrag auf einstweilige Verfü...