Rz. 228
Es kommt nicht selten vor, dass eine Person oder Gesellschaft als Verwalter tätig ist, obwohl sie gar nicht bestellt ist. So kann es von vornherein an einer wirksamen Bestellung gefehlt haben; oder die Bestellung wird infolge Anfechtung rückwirkend unwirksam; oder – das ist der häufigste Fall – der einmal bestellte Verwalter setzt seine Tätigkeit nach Ablauf der Bestellungszeit fort. Einen solchen "nicht (mehr) bestellten Verwalter" nennt man faktischen Verwalter.
Rz. 229
Der faktische Verwalter ist wie ein bestellter Verwalter zu behandeln. Diesbezüglich konstatierte das LG Frankfurt/M. zutreffend: "Auch wenn die Einzelheiten dieses Rechtsverhältnisses streitig sind, besteht im Ergebnis Einigkeit, dass das Pflichtenprogramm (und auch die Haftung) dem eines bestellten Verwalters entsprechen, entweder weil ein Auftragsverhältnis i.S.v. § 662 BGB vorliegt, oder aber die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze der fehlerhaften Anstellung heranzuziehen sind." Schon wegen der von der WEG-Reform 2020 hergestellten strukturellen Gleichstellung einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit anderen Verbänden spricht alles dafür, die im "sonstigen" Gesellschaftsrecht (betr. "faktische Geschäftsleiter") und im Arbeitsrecht (bei fehlerhaften Anstellungsverträgen) von Rspr. und Lit. entwickelten allgemeinen Grundsätze der fehlerhaften Anstellungsverträge anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen gilt Folgendes: "Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage des geltungslosen Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds, ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam. Denn eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht wäre nicht nur schwierig, sondern würde auch und vor allem den Geschäftsführer, der seinem Amt entsprechend gearbeitet hat, schwer beeinträchtigen. Ihm stehen deshalb für die Dauer seiner Beschäftigung Bezüge in der versprochenen und nicht bloß in angemessener Höhe zu". Ein faktischer Verwalter hat deshalb Anspruch auf die "eigentlich" vorgesehene Vergütung, ferner ein Teilnahmerecht an einer von ihm einberufenen WEG-Versammlung.
Rz. 230
Haftung und Abwicklungspflichten. Der faktische Verwalter haftet für Pflichtverletzungen genauso wie ein bestellter Verwalter. Die ältere Rspr. versuchte dies mit der Konstruktion eines pflichten- und haftungsbegründenden Auftragsverhältnisses i.S.d. § 662 BGB zu begründen. Diese Begründung kann aber nicht überzeugen, weil es im Fall der faktischen Verwaltertätigkeit gerade an einem Vertragsschluss fehlt; andernfalls bräuchte man die Rechtsfigur des faktischen Verwalters bzw. der fehlerhaften Anstellung nicht. Richtigerweise ist die Haftung also wieder mit den Grundsätzen der fehlerhaften Anstellung zu begründen: Weil die (eigentlich fehlende) Bestellung als wirksam behandelt wird, hat der Verwalter alle Rechte und Pflichten, die er im Falle der Bestellung; dass er dann für Fehler genauso haften muss wie ein bestellter Verwalter, ist die zwangsläufige Folge. Bei Beendigung seiner Tätigkeit treffen ihn dieselben Abwicklungspflichten wie jeden anderen ausgeschiedenen Verwalter auch.