1. Überblick
Rz. 59
Wie jeder Beschluss kann auch der Bestellungsbeschluss angefochten werden. Mit der Anfechtungsklage kann geltend gemacht werden, dass Formfehler der Beschlussfassung vorlagen oder dass der Beschluss aus materiellen Gründen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Was unter einer ordnungsmäßigen Verwaltung zu verstehen ist, ergibt sich aus § 18 Abs. 2: Sie muss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen, was vom Standpunkt eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Menschen aus zu beurteilen ist (→ § 6 Rdn 3). Demnach widerspricht ein Bestellungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung, "wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit mit ihm unzumutbar ist, insbesondere wenn bereits im Zeitpunkt der Bestellung Interessengegensätze offenkundig sind und deshalb von vornherein nicht mit der Begründung eines unbelasteten, für die Tätigkeit des Verwalters erforderlichen Vertrauensverhältnisses zu den anderen Wohnungseigentümern zu rechnen ist," wobei es im Einzelfall auch ausreichen kann, wenn die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses nicht gegenüber der "Gesamtheit" der Wohnungseigentümer, sondern nur gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern oder einer Gruppe von ihnen besteht. Diese für sich genommenen anerkannten Grundsätze werden von der h.M. aber seit einigen Jahren in vielfältiger Weise eingeschränkt. Zunächst wird aus dem der Gemeinschaft zustehenden Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum der Schluss gezogen, dass der Bestellungsbeschluss nur dann für ungültig erklärt werden dürfe, wenn ein wichtiger Grund gegen die Bestellung vorliegt. Außerdem soll bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund gegen die Bestellung vorliege, ein schärferer Maßstab anzulegen sein als bei der Beurteilung der Frage, ob ein einzelner Eigentümer gegen den Mehrheitswillen die Abberufung aus wichtigem Grund verlangen kann; die Mehrheitsentscheidung soll vorrangig respektiert werden. Kurz gesagt: "Die Bestellung des Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung erst, wenn die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschreiten, das heißt, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen." Und weil eine Gemeinschaft nach h.M. nicht einmal dann zur Abberufung eines Verwalters verpflichtet ist, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt (→ § 10 Rdn 176), ergibt sich daraus bei der Verwalterbestellung ein "Verzeihungsermessen" der Gemeinschaft. Das bedeutet, dass es im Beurteilungsspielraum der Gemeinschaft liegt, bei der (Wieder-)Bestellung des Verwalters dessen frühere Verfehlungen bei günstiger Zukunftsprognose nicht gegen ihn zu verwenden.
Rz. 60
Kritik: Die Überbetonung des Beurteilungsspielraums und die damit einhergehende Schmälerung des Rechtsschutzes überstimmter Miteigentümer ist zwar derzeit für die Praxis maßgeblich, kann aber nicht überzeugen. Die Prüfungsmaßstäbe "wichtiger Grund" oder "objektiv nicht mehr vertretbar" sind im Ansatz verfehlt. Richtig ist vielmehr, dass ein Bestellungsbeschluss dann, wenn sogar ein (wichtiger) Grund für eine fristlose Abberufung vorliegt, immer ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht; die Überprüfung des Bestellungsbeschlusses kann aber auch unterhalb der Schwelle des "wichtigen Grundes" zum Ergebnis führen, dass die Bestellung rechtswidrig ist (wenn sie nämlich bei objektiver Betrachtung nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt). Nach dem Gesetz wird im Anfechtungsverfahren geprüft, ob ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und nicht, ob ein (schwerwiegender) wichtiger Grund gegen ihn spricht.
Rz. 61
Eine Anfechtungsklage richtet sich gem. § 44 Abs. 2 WEG gegen die Gemeinschaft, die gem. § 9b Abs. 1 S. 1 durch den Verwalter, dessen Bestellung angefochten ist, vertreten wird. Ein Ausschluss wegen Interessenkollision besteht nicht. Der Verwalter kann dem Rechtsstreit als einfacher Nebenintervenient beitreten; es gibt aber keinen objektiv beachtlichen Grund, weshalb er das tun sollte. Die Anfechtung kann nach h.M. nur auf Gründe gestützt werden, die zeitlich vor der (Wieder-)Wahl des Verwalters vorlagen. Ein Nachschieben von Gründen (Vorkommnissen), die erst nach der Wahl entstanden, ist nicht zulässig. Diese Beschränkung ist nach h.M. dadurch begründet, dass für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses generell auf den Zeitpunkt und auf den verobjektivierten Kenntnisstand der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung abzustellen sei. Speziell dem Beschluss über die (Wieder-)Wahl des Verwalters liege immer eine Prognose über dessen künftige Fähigkeiten und Leistungen zugrunde. Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses sei ex ante zu beurteilen; der Beschluss werde nicht dadurch fehlerhaft, dass sich die Prognose aus später bekannt werdenden Gründen (ex post) als unzutreffend erw...