Rz. 333
Die Tagesordnungspunkte "Entlastung des Verwalters und des Verwaltungsbeirates" sind auf Eigentümerversammlungen allgemein üblich, so dass darüber meistens routinemäßig Beschluss gefasst wird. Dies geschieht aber meistens aus Rechtsunkenntnis aufseiten der Wohnungseigentümer. Zum einen ist wenig bekannt, dass die Erteilung der Entlastung im Wohnungseigentumsgesetz (anders als im GmbH-Recht, § 46 Nr. 5 GmbHG) nicht vorgesehen ist und der Verwalter darauf keinen Anspruch hat. Zum anderen ist den Miteigentümern die rechtliche Bedeutung der Beschlussfassung i.d.R. nicht bewusst. Die Entlastung drückt die Billigung der Geschäftsführung der Vergangenheit und das Vertrauen für die Zukunft aus. Damit ist eine spezifische Rechtfolge verbunden: Nach h.M. beinhaltet die Entlastung ein negatives Schuldanerkenntnis oder in anderen Worten den Verzicht der Gemeinschaft auf etwaige Ansprüche gegen den Verwalter; zumindest wird der Entlastung diese Wirkung zugesprochen. Die früher streitige Frage, ob für den Verzicht auf individuelle Ansprüche der Wohnungseigentümer eine Beschlusskompetenz bestehe, hat sich erledigt, weil nach jetzigem Recht Ansprüche einzelner Eigentümer wegen Pflichtverletzungen des Verwalters nicht mehr gegen diesen, sondern gegen die Gemeinschaft bestehen und von der Entlastungswirkung deshalb nicht mehr umfasst sein können. Einschränkungen bestehen insoweit, als die Verzichtswirkung nur solche Ansprüche erfasst, die den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie ("bei sorgfältiger Prüfung") erkennbar waren. Dieser Auffassung kann aber nicht zugestimmt werden, denn nur bekannte – nicht aber unbekannte Umstände – können gebilligt werden. Es liegt zudem auf der Hand, dass die Wohnungseigentümer nicht beabsichtigen, für ihnen unbekannte Umstände eine Billigung zu erklären bzw. auf unbekannte Ansprüche zu verzichten. Durch die Gleichsetzung von Kenntnis und Erkennbarkeit (= grob-fahrlässiger Unkenntnis) werden die Wohnungseigentümer vielmehr für eine unzureichende Belegprüfung, i.d.R. also für oberflächliche Arbeit des Verwaltungsbeirats bestraft (wobei die Zurechnung von dessen Kenntnis oder Unkenntnis wiederum aus anderen Gründen abzulehnen ist (→ § 11 Rdn 17). Es wird vertreten, dass im Vermögensbericht nicht erwähnte Ansprüche für die Eigentümer nicht bekannt oder erkennbar seien; wäre das richtig, käme dem Entlastungsbeschluss praktisch niemals eine Verzichtswirkung zu, denn im Normalfall vermerkt kein Verwalter etwaige Regressansprüche gegen sich selbst im Vermögensbericht. Auch Ansprüche, die aus einer Straftat des Verwalters herrühren, sind von der Entlastung nicht erfasst.
Rz. 334
Die Entlastung steht der späteren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen entgegen, ebenso einer eventuellen Abberufung/Kündigung aus wichtigem Grund. Der Anspruch auf Rechnungslegung für den Zeitraum, auf den sich die Entlastung bezieht, soll entfallen. Gleiches gilt für Ansprüche auf Nachbesserung oder Ergänzung einer fehlerhaften oder unvollständigen Abrechnung bzw. eines Vermögensberichts. Dass es richtig ist, dass der Verwalter auch nicht mehr zu Auskünften oder zu Erklärungen über Vorgänge verpflichtet sein soll, die bei der Beschlussfassung über die Entlastung bekannt (bzw. erkennbar) waren, muss bezweifelt werden.
Rz. 335
Wegen der ausschließlich nachteiligen Folgen für die Gemeinschaft ("Damit tut man im Regelfall nicht dem Verwalter einen Gefallen, sondern der dahinter stehenden Versicherung") wurde zu Recht vertreten, dass ein Entlastungsbeschluss grundsätzlich rechtswidrig sei. Der BGH hat aber das Gegenteil entschieden: Durch die Entlastung werde die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft geschaffen, was im Interesse der Wohnungseigentümer liege. (Wenn der Verwalter ausscheidet, trägt der Gesichtspunkt der künftigen Zusammenarbeit allerdings nicht mehr). Nach dem BGH entspricht ein Entlastungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung, außer wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen. Wenn Ansprüche in Betracht kommen, ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die Ansprüche zu verzichten.
Rz. 336
Praxistipp
Auch wenn der Entlastungsbeschluss nach der Rechtsprechung grundsätzlich ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist einer Eigentümergemeinschaft wegen der damit verbundenen nachteiligen Folgen doch ausnahmslos davon abzuraten. Wenn der Verwalter den Antrag auf Entlastung auf die Tagesordnung gesetzt hat, kann gefahrlos dagegen gestimmt werden; gegen die Ablehnung kann der Verwalter nichts machen, weil er keinen Anspruch auf Entlastung hat. Aber auch Verwaltern ist von einem Entlastungsbeschluss abzuraten. Zwar ist ein solcher für sie unbestreitbar nützlich, aber das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung ist groß, weil sich fast immer Anhaltspunkte für Ansprüche gegen den Verwalter finden lassen, vor allem in Bezug auf d...