Dipl.-Kfm. Michael Scherer
A. Allgemeines
Rz. 1
→ Dazu Aufgaben Gruppe 22
Hinweis:
In den folgenden Kapiteln werden zunächst die Gemeinsamkeiten bei den Gebührenvorschriften in Straf- und Bußgeldsachen dargestellt, danach die Gebühren in Strafsachen und ab Rdn 99 die wesentlichen Gebühren in Bußgeldsachen.
Rz. 2
Die Berechnung der Gebühren in Strafsachen und in Bußgeldverfahren unterscheidet sich von der Berechnung der Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ganz erheblich. Die Gebühren in diesen beiden Bereichen unterscheiden sich deshalb so voneinander, weil auch die Tätigkeiten des RA jeweils ganz unterschiedlicher Natur sind. In Strafsachen liegt das Hauptgewicht der Tätigkeit des Strafverteidigers in seinem Auftreten in der oft lange dauernden Hauptverhandlung. Dagegen wird in Zivilsachen die Arbeitszeit des RA überwiegend durch die Beschaffung der notwendigen Informationen in Gesprächen mit dem Auftraggeber, den Schriftwechsel mit dem Auftraggeber sowie Dritten und die Anfertigung von Schriftsätzen – insgesamt also einer mehr schriftlichen Tätigkeit – in Anspruch genommen, während die mündlichen Verhandlungen im Zivilprozess häufig nur von kurzer Dauer sind bzw. ganz entfallen, wie z. B. im Mahnverfahren oder beim anwaltlichen Aufforderungsschreiben.
Rz. 3
Dies wird im RVG auch dadurch berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in der Regel Wertgebühren erhält, die nach dem Gegenstandswert und nach vorgeschriebenen Gebührensätzen aus der in einer Tabelle vorgegebenen Gebühr ermittelt werden. In Strafsachen sieht das Gesetz dagegen in der Regel für jeden einzelnen Verhandlungstag Rahmengebühren (Betragsrahmengebühren) vor, bei denen die Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen ist (§ 14 RVG).
Auch für die Gebühren in Straf- und Bußgeldsachen gelten grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen der Abschnitte 1 bis 3 des Gesetzesteils des RVG und die Teile 1 und 2 des Vergütungsverzeichnisses, insbesondere:
§ 2 Abs. 2 |
Hinweis auf das Vergütungsverzeichnis (Anlage 1) |
§§ 3a, 4a |
Vereinbarung der Vergütung |
§ 6 |
Mehrere Rechtsanwälte |
§ 7 |
Mehrere Auftraggeber (nur in ganz bestimmten Fällen anwendbar) |
§§ 8 bis 10 |
Fälligkeit, Vorschuss, Berechnung der Gebühren |
§ 14 |
Rahmengebühren |
§ 15 |
Abgeltungsbereich der Gebühren |
§ 17 |
Verschiedene Angelegenheiten (Ziff. 10 bis 13) |
§ 19 |
Rechtszug (Ziff. 10 und 10 a) |
§§ 20, 21 |
Verweisung, Zurückverweisung |
§ 34 |
Beratungsgebühr |
Nrn. 7000 ff. VV |
Die Vorschriften über Auslagen gelten auch in Straf- und Bußgeldsachen |
Rz. 4
Die Gebühren in Straf- und Bußgeldsachen sind grundsätzlich Pauschgebühren, die alle Tätigkeiten des RA innerhalb einer Instanz abgelten, und zwar von der Entgegennahme des Auftrags bis zur Entgegennahme des Urteils und seiner Weiterleitung an den Auftraggeber sowie der Beratung des Auftraggebers über die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Einlegung von Rechtsmitteln und das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 15 Abs. 1 und 2 RVG). Dazu gehört auch noch die Einlegung von Rechtsmitteln (Berufung, Revision) bei dem Gericht desselben Rechtszuges (§ 19 Ziff. 10 RVG) und natürlich auch die Beratung über Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Rechtsmitteleinlegung. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Verurteilter aus Kostengründen davor zurückschreckt, sich über die Rechtsmittelaussichten beraten zu lassen und deswegen darauf verzichtet, innerhalb der kurzen Frist von einer Woche Berufung oder Revision einzulegen (§§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO).
Dagegen gehört die Begründung der Berufung oder der Revision bereits zur nächsten Instanz! Das Beschwerdeverfahren bildet – anders als im Zivilprozess (Nr. 3500 VV RVG) – nach § 19 Nr. 10a RVG keine besondere Angelegenheit (Ausnahme: Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren, siehe unten in Rdn 86).
Rz. 5
Nur die Terminsgebühren sind in Straf- und Bußgeldsachen keine gleichartigen Pauschgebühren wie in Zivilverfahren, denn sie entstehen grundsätzlich für jeden einzelnen Verhandlungstag.
Rz. 6
Die Rechtsanwaltsgebühren sind in Strafsachen in ihrer Höhe auch davon abhängig, ob der RA als Verteidiger frei gewählt worden ist (Wahlverteidiger) oder ob er bei notwendiger Verteidigung nach § 140 StPO vom Gericht als Pflichtverteidiger (Amtsverteidiger) bestellt worden ist.
Zu den Strafverfahren (Teil 4 VV RVG) gehören z. B. auch Jugendstrafverfahren. Nicht dazu gehören die Bußgeldverfahren (Teil 5 VV RVG). Trotzdem sind die Gebührenregelungen in den Teilen 4 und 5 VV RVG zumindest ähnlich. In den nachfolgenden Ausführungen werden daher meist nur Strafsachen erwähnt; die Erläuterungen gelten aber für die Bußgeldsachen meistens in gleicher Weise.
Rz. 7
Da die Gebühren der Teile 4 und 5 des Vergütungsverzeichnisses des RVG Betragsrahmengebühren sind, ist noch zu beachten, dass eine Festsetzung der Vergütung gegen den eigenen Mandanten gemäß § 11 Abs. 8 RVG nur zulässig ist, wenn der RA nur die Mindestgebühren aus dem jeweiligen Rahmen geltend macht oder der Auftraggeber der Höhe ...