a) Die Regelungen in den Bedingungen
Rz. 201
Ist zwischen dem Versicherungsnehmer und der Rechtsschutzversicherung im Rahmen des Rechtsschutzvertrages eine Selbstbeteiligung vereinbart, so ist die Kostenerstattungspflicht der Rechtsschutzversicherung von vornherein um diesen Betrag gemindert.
Rz. 202
Gemäß § 5 Abs. 3 lit. c ARB 2010 wird die Selbstbeteiligung jeweils pro Rechtsschutzfall und pro Leistungsart abgezogen. Hieraus folgt, dass die Selbstbeteiligung bei einem einheitlichen Lebensvorgang mehrfach in Abzug gebracht werden kann, so z.B. bei
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Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen |
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Verteidigung in einem Straf- und OWi-Verfahren |
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Rechtsstreitigkeit mit Kaskoversicherung |
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Auseinandersetzung mit Sozialleistungsträger bzw. Berufsgenossenschaft bei Arbeits- und Wegeunfall. |
Rz. 203
Es ist jedoch davon auszugehen, dass in zahlreichen Bedingungen zwischenzeitlich abweichende Regelungen getroffen wurden, wonach die Selbstbeteiligung pro Rechtsschutzfall nur einmal in Abzug gebracht wird. Darauf hinzuweisen ist, dass die Verbandsempfehlung zu § 5 den in der Gruppenfreistellungsverordnung vorgesehenen Hinweis enthält, dass es jedem Versicherer freigestellt ist, etwas anderes zu vereinbaren. Demgemäß ist zu beachten, dass in den verschiedenen Bedingungen zur Selbstbeteiligung unterschiedliche Regelungen getroffen sind mit der Folge, dass der Anwalt bei der Beteiligung einer Rechtsschutzversicherung in einer Mandatssache, in der die Selbstbeteiligung eine Rolle spielt, in jedem Fall die Bedingungen prüfen muss. Eine vergleichbare Praxis wird auch teilweise kulanzweise angewandt.
b) Besondere Fallgestaltungen zur Selbstbeteiligung
Rz. 204
Wie vorstehend ausgeführt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die vereinbarte Selbstbeteiligung auch bei einem einheitlichen Lebensvorgang mehrfach in Abzug gebracht werden kann. So z.B. bei einem Rechtsstreit zur Schadenhöhe nach einem Verkehrsunfall und/oder bei der Verteidigung in einem Straf-/OWi-Verfahren aus Anlass desselben Unfalls.
Rz. 205
Zu diskutieren ist die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Versicherungsnehmer und/oder mehrere Mitversicherte aufgrund desselben Ereignisses rechtliche Interessen in derselben Leistungsart des § 2 ARB 2010 wahrzunehmen haben.
Beispiel
Aus Anlass eines Straßenverkehrsunfalls verfolgt der Halter Schadenersatzansprüche und evtl. auch ein Insasse. Gegen den Fahrer läuft aus Anlass desselben Verkehrsunfalls ein Straf-/OWi-Verfahren.
Rz. 206
Ist der Fahrer mitversicherte Person, so stellt sich die Frage, ob diesem gegenüber auch die vereinbarte Selbstbeteiligung geltend gemacht werden kann, wie auch gegenüber dem Versicherungsnehmer.
Rz. 207
Zuzustimmen ist der Ansicht von Bauer, wonach gem. § 5 Abs. 4 ARB 2010 Leistungen aus der Rechtsschutzversicherung nur einmal bis zur Höhe der Versicherungssumme verlangt werden können. Deshalb "erscheint es interessengerecht, die Selbstbeteiligung nur einmal abzuziehen, und zwar anteilig beim Versicherungsnehmer und/oder dem Mitversicherten".
Rz. 208
Im Übrigen ist auch an die Fallgestaltung zu denken, dass gegen den Versicherungsnehmer wegen eines Vergehens gem. § 315c StGB ein Strafverfahren durchgeführt wird mit Entzug der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB mit einer im Urteil oder Strafbefehl ausgesprochenen Sperrfrist. In Betracht kommt nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens gem. § 69a Abs. 7 StGB Abkürzung der Sperrfrist zu beantragen.
Beispiel
Gegen den Versicherungsnehmer wird ein Strafverfahren wegen Trunkenheitsfahrt durchgeführt. Er wird verurteilt mit einer Sperrfrist. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens beauftragt der verurteilte Versicherungsnehmer den Anwalt, ein Mandat zu führen mit dem Ziel der Abkürzung der Sperrfrist. Im Rahmen dieses Mandates kommt es zu einer Abkürzung der Sperrfrist nach Teilnahme an einem Aufbauseminar.
Im Rahmen des Strafverfahrens hat die Rechtsschutzversicherung die vereinbarte Selbstbeteiligung in Abzug gebracht. Sodann stellt sich die Frage, ob bei der nachfolgenden Rechtssache, die die Abkürzung der Sperrfrist zum Gegenstand hat, auch die Selbstbeteiligung erneut in Abzug gebracht werden kann.
Rz. 209
Beide Rechtsangelegenheiten beruhen auf demselben Ereignis, nämlich der Trunkenheitsfahrt. Somit ist der Abzug der Selbstbeteiligung in der Rechtssache betreffend Abkürzung der Sperrfrist nicht noch einmal in Abzug zu bringen.