Rz. 60

Hat der Erblasser den Wegfall des zunächst Bedachten nicht berücksichtigt, dann ist durch (ergänzende) Auslegung zu ermitteln, wie der Erblasser unter Berücksichtigung eines Wegfalls testiert hätte.[108] Ist ein Wille im Wege der individuellen Auslegung[109] nicht möglich, so kann die gesetzliche Auslegungsregel des § 2069 BGB angewandt werden.[110] Dabei kann die Auslegung ergeben, dass die Vermutungsregelung des § 2069 BGB ausgeschlossen ist, weil der Erblasser in seinem Testament ausdrücklich verfügt hat, einen Ersatzerben nicht bestimmen zu wollen.[111] Andererseits schließt bspw. die Formulierung "Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen" nicht die Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB aus, wenn ein widersprechender Erblasserwille nicht feststellbar ist.[112]

[108] BayObLG NJW 1988, 2744.
[109] Vgl. OLG Düsseldorf ZEV 2012, 662.
[110] Nieder, ZEV 1996, 241.
[111] BayObLG FamRZ 2005, 1127. Das BayObLG vertrat hier die Auffassung, dass es an Zweifeln fehle, die eine Anwendung von § 2069 BGB rechtfertigen würden.
[112] OLG München ZErb 2009, 153 = FamRZ 2009, 1250.

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