I. Anwendungsbereich, § 1358 Abs. 1 BGB n.F., Art. 15 EGBGB n.F.
Rz. 15
Der eingeschränkte Anwendungsbereich geht schon aus der Normüberschrift hervor – die "Gesundheitssorge". Vermögensangelegenheiten sind nur im engen, damit zusammenhängenden Rahmen umfasst (siehe Rdn 42–46).
Gem. Art. 15 EGBGB n.F. gilt § 1358 BGB n.F. für alle im Inland lebenden Ehegatten. Gem. § 21 LPartG gilt die Vorschrift auch für Lebenspartnerschaften. Eine Pflicht des einen Ehegatten, den anderen zu vertreten, gibt es nicht. Wenn ein Ehegatte die Vertretung nicht übernehmen will oder kann, wird es nach wie vor zu Betreuungen kommen. Eine analoge Anwendung auf Partner, die nicht Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner sind, ist nicht zulässig, um den engen Schutzbereich nicht zu verlassen.
Rz. 16
Gem. Art. 15 EGBGB n.F. gilt das Ehegattenvertretungsrecht gem. § 1358 BGB n.F. im Inland immer, selbst wenn das anderen kollisionsrechtlichen Vorschriften anderes Recht anzuwenden wäre. Es wird also auch nicht auf den sonst im internationalen Recht üblicheren gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt. Dies wird mit der Bedeutung und Eilbedürftigkeit der zu regelnden Gesundheitsangelegenheiten sowie dem Schutzbedürfnis für Ärzte und Klinikpersonal begründet. Art. 24 EGBGB n.F. greift nicht. Ebenso ist das ESÜ nicht anwendbar, da es sich um eine gesetzliche und keine rechtsgeschäftliche Vertretung handelt. Für bis zum 31.12.2022 abgeschlossene Vorgänge bleibt es gem. Art. 229 EGBGB n.F. bei den bisherigen Regelungen des internationalen Privatrechts.
II. Gründe, § 1358 Abs. 1 BGB n.F.
Rz. 17
Der vertretene Ehegatte darf seine Angelegenheiten nicht besorgen können (§ 1358 Abs. 1 S. 1 BGB n.F.), wie es auch sonst für eine Betreuung der Fall sein muss. Dies ist eine bewusst gesetzte Parallele. Gründe können (ebenfalls wie in § 1814 Abs. 1 BGB n.F.) Krankheit oder Bewusstlosigkeit sein. Letztere wird in § 1814 Abs. 1 BGB n.F. nicht genannt, wohl aber die in § 1358 BGB n.F. nicht erwähnte Behinderung. Einwilligungsunfähigkeit wird nicht gefordert und soll – als Beispiel wird eine schwere Grippe genannt – auch nicht vorliegen müssen, wird es aber meistens, da sonst u.U. gegen den beachtlichen Willen des vertretenen Ehegatten gehandelt werden könnte.
Rz. 18
Eine begriffliche Begrenzung auf Notsituationen, wie sie nach Koller/Stahl mit den einschränkenden Worten "dringenden und unaufschiebbaren Behandlungen" erfolgen hätte können, gibt es nicht. Daher kann nach hier vertretener Ansicht nicht von einem "Notvertretungsrecht" gesprochen werden, sondern es liegt ein begrenztes, aber umfassendes Ehegattenvertretungsrecht vor (siehe Rdn 12).
Rz. 19
Lugani kritisiert, dass es keinen Gleichlauf zwischen dem Betreuungsfall nach § 1814 BGB n.F. und dem des § 1358 BGB n.F. gibt, da das zu Unsicherheiten bei Ärzten führen könnte. Die Erforderlichkeit schwinge bei § 1358 BGB n.F. zwar mit, werde aber nicht genannt. Es wird tatsächlich nicht leicht sein, den "Akutfall" von "normalen" Fällen abzugrenzen, wenn etwa bei einer dauernden Erkrankung eine Verschlechterung eintritt. Es ist wohl anzunehmen, dass auch in diesen Fällen § 1358 BGB n.F. greift, der auf die Akutsituationen abzielt, aber auf diese nicht beschränkt ist.
III. Ausschlüsse, § 1358 Abs. 3 BGB n.F.
Rz. 20
Im dritten Absatz des § 1358 BGB n.F. werden Konstellationen ausgeführt, die ein Ehegattenvertretungsrecht ausschließen. Das ist der Fall, wenn ein ausdrücklicher (geäußerter), entgegenstehender Wille bekannt oder wegen Trennung anzunehmen ist oder eine Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder Betreuer besteht oder (Abs. 5) entsteht.
Rz. 21
Eine Vollmacht kann auch nur Teile abdecken, z.B. vermögensrechtliche Angelegenheiten, so dass dann insoweit das Ehegattenvertretungsrecht nicht entsteht. Arzt und Ehegatte müssen aber Kenntnis von der Vollmacht haben. Eine dem Vertretungsrecht entgegenstehende Betreuung sollte dem vertretenen Ehegatten bekannt sein, da er nach § 274 Abs. 4 FamFG in einem Betreuungsverfahren grundsätzlich beteiligt wird.
Rz. 22
Eine Trennung gem. § 1567 Abs. 1 BGB kann nicht allein an unterschiedlichen Wohnorten festgemacht werden. Es reicht z.B. nicht, wenn ein Ehegatte in ein Pflegeheim gezogen ist. Es muss auch ein Trennungswille bestehen. Für den Arzt, der hier zu prüfen hat, ergeben sich damit Probleme. Eine tatsächliche Überprüfung de...