Rz. 41

Wie bereits dargestellt, kann ein Erblasser durch Verfügungen von Todes wegen frei über das von ihm hinterlassene Vermögen verfügen. Andererseits folgt das Erbrecht auch moralischen und ethischen Aspekten. Bei deren Berücksichtigung erscheint es unbillig, wenn beispielsweise ein Erblasser seine Familie enterbt und sie damit in sozialer Not zurücklässt. Dem will das Pflichtteilsrecht nach §§ 2303 ff. BGB entgegenwirken.

Pflichtteilsberechtigt sind nur die Abkömmlinge (Kinder und Enkel), die Eltern und der Ehegatte des Erblassers (sowie der eingetragene, gleichgeschlechtliche Lebenspartner). Der Anspruch steht aber nur denjenigen zu, die – wäre kein Testament errichtet worden – als gesetzliche Erben zur Erbfolge berufen gewesen wären.

I. Natur und Höhe des Pflichtteilsanspruchs

 

Rz. 42

Die Berechtigten erhalten als Pflichtteil einen Anspruch gegen den oder die Erben auf Zahlung einer Geldsumme in Höhe des Wertes des halben gesetzlichen Erbteils.

 

Rz. 43

 

Beispiel

A stirbt und hinterlässt seine Ehefrau E sowie die Kinder T und U. Sein Vermögen hinterlässt er durch Testament seiner langjährigen Geliebten G.

Zu Berechnung des Pflichtteilsanspruchs sind zunächst die gesetzlichen Erbteile der hinterbliebenen Familienangehörigen zu ermitteln. Wie bereits dargestellt, erbt die Ehefrau im Verhältnis zu den Kindern ein Viertel, dazu kommt der pauschalierte Zugewinn gem. § 1371 BGB von einem weiteren Viertel. Die Kinder würden gesetzlich den Rest, d.h. jeweils ein Viertel, erben.

Da die Angehörigen jedoch zugunsten der G enterbt worden sind, steht ihnen nur die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs zu. E, T und U können daher jeweils ein Achtel von G verlangen. E kann darüber hinaus auch das Viertel aus dem Zugewinnausgleich verlangen, da dieses im eigentlichen Sinne kein Erbanspruch, sondern ein durch die Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod ausgelöster familienrechtlicher Anspruch ist.

II. Entzug des Pflichtteilsanspruchs

 

Rz. 44

Die Entziehung des Pflichtteils des Abkömmlings ist nur unter den erschwerten Bedingungen des § 2333 BGB möglich. In diesem Fall geht der gesetzliche Erbe völlig leer aus.

 

Rz. 45

Zum 1.1.2010 ist die Erbrechtsreform in Kraft getreten. Anwendbar sind die neuen Vorschriften erst für Erbfälle ab dem 1.1.2010. Ein wesentliches Anliegen dieser Reform ist die Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers, also seines Rechts, durch Verfügungen von Todes wegen über seinen Nachlass zu bestimmen. Dementsprechend wurden die Gründe überarbeitet, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen.

 

Rz. 46

So werden jetzt alle Personen geschützt, die dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind nahestehen, z.B. auch Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung ist daher auch dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht.

 

Beispiel

Wurde der langjährige Lebensgefährte der Erblasserin durch deren Sohn getötet oder die Tochter des Erblassers durch dessen Sohn körperlich schwer misshandelt, rechtfertigt dies künftig eine Entziehung des Pflichtteils.

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