Rz. 134
Das Nachlassgericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht, § 49 Abs. 1 FamFG. Eine einstweilige Anordnung setzt kein gleichartiges Hauptsacheverfahren voraus.
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung:
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evtl. ein Antrag (§ 51 FamFG); |
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ein Anordnungsanspruch, also eine materiellrechtliche Rechtsgrundlage für den Anspruch; der Antragsteller hat dies schlüssig vorzutragen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen (§§ 51, 31 FamFG), soweit ein Antragsverfahren vorliegt; |
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ein Anordnungsgrund, also ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden; auch das ist vom Antragsteller schlüssig vorzutragen und hinsichtlich der Tatsachen glaubhaft zu machen (§§ 51 31 FamFG), soweit ein Antragsverfahren vorliegt. |
Rz. 135
Die Hauptsache darf nicht vorweggenommen werden; insofern ist die Anordnung auf vorläufige Maßnahmen beschränkt. Bezogen auf das Nachlassverfahren bedeutet das: Es kann kein "vorläufiger" Erbschein durch einstweilige Anordnung erteilt werden; einen solchen Erbschein gibt es überhaupt nicht. Die Einziehung eines unrichtigen Erbscheins (§ 2361 BGB) durch einstweilige Anordnung scheidet ebenfalls aus, weil sie nicht nur eine vorläufige Maßnahme wäre (die Einziehung kann nicht rückgängig gemacht werden). Nach § 49 Abs. 2 FamFG kann die Maßnahme des Nachlassgerichts einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Läuft ein Erbscheinseinziehungsverfahren, könnte daher dem Besitzer des unrichtigen Erbscheins (falls die Unrichtigkeit sehr wahrscheinlich ist) die Verfügung über Nachlassgegenstände verboten und die vorläufige Hinterlegung der Ausfertigungen des Erbscheins beim Nachlassgericht geboten werden. Das ist keine Einziehung i.S.d. § 2361 BGB. Die Ablieferung des Erbscheins kann nach den §§ 86 ff. FamFG erzwungen werden. Eine solche Hinterlegung der Ausfertigungen des Erbscheins beim Nachlassgericht beseitigt zwar nicht die Rechtsscheinwirkung des erteilten Erbscheins (§ 2366 BGB), rein praktisch wird jedoch jeder, dem gegenüber das Erbrecht nachgewiesen werden soll, die Vorlage einer Erbscheinsausfertigung verlangen.
Rz. 136
Ist eine Nachlasspflegschaft angeordnet, kann das Nachlassgericht dem Nachlasspfleger eine beabsichtigte Verfügung (z.B. Veräußerung eines Nachlassgegenstands) oder sonstige Handlung untersagen. Dagegen kann eine Nachlasspflegschaft nicht durch einstweilige Anordnung beschlossen werden. Für den Erlass von Geboten und Verboten gegen einen Testamentsvollstrecker ist nicht das Nachlassgericht, sondern das Prozessgericht zuständig, weil das Nachlassgericht kein Aufsichtsrecht gegenüber einem Testamentsvollstrecker hat; deshalb scheiden derartige einstweilige Anordnungen des Nachlassgerichts gegen den Testamentsvollstrecker aus. Anders ist es nur, wenn die Entlassung des Testamentsvollstreckers von einem Beteiligten beantragt wurde (§ 2227 Abs. 1 BGB) und sehr wahrscheinlich ist; hier könnten gegen den Testamentsvollstrecker z.B. Verfügungsverbote erlassen werden.
Rz. 137
Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann (§ 51 Abs. 1 S. 1 FamFG), wie etwa die Entlassung eines Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB). In Amtsverfahren, wie bei der Einziehung eines Erbscheins von Amts wegen gem. § 2361 BGB, kann die einstweilige Anordnung ohne Antrag eines Beteiligten erlassen werden.
Hinweis
Einstweilige Anordnung des Nachlassgerichts:
(1) Rückgabe der Erbscheinsausfertigungen zu den Nachlassakten
(2) Gebot an den/die Erben, jegliche Verfügung über Nachlassgegenstände zu unterlassen.