Rz. 75
Der Erblasser könnte in seiner Testierfreiheit insofern eingeschränkt gewesen sein, als er einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament mit seinem Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner errichtet hatte. Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2270 BGB) können nach dem Tod des zuerst sterbenden Ehegatten/Lebenspartners zu einer Bindung eines Erblassers führen, die ein einseitiges Testament unwirksam macht.
Rz. 76
Solange beide Ehegatten bzw. Lebenspartner leben, können sie jederzeit gemeinsam ihr gemeinschaftliches Testament nach den Vorschriften der §§ 2253 ff. BGB widerrufen durch gemeinschaftliches Widerrufstestament (§ 2254 BGB), gemeinsame Vernichtung oder Veränderung (§ 2255 BGB), gemeinschaftliche Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§§ 2256, 2272 BGB), widersprechendes gemeinschaftliches Testament (§ 2258 BGB) oder durch Erbvertrag (§ 2289 Abs. 1 S. 1 BGB).
Rz. 77
Für den einseitigen Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung sind auch zu Lebzeiten beider Ehegatten strenge Formalien zu beachten. Ein Ehegatte bzw. Lebenspartner kann seine Verfügungen, die mit denen des anderen wechselbezüglich sind, nur in der für den Rücktritt von einem Erbvertrag vorgesehenen Form widerrufen (§§ 2271 Abs. 1 S. 1, 2296 BGB): Die Widerrufserklärung bedarf der notariellen Beurkundung und muss in Ausfertigung dem anderen Ehegatten/Lebenspartner zugehen. Durch einseitiges Testament kann eine wechselbezügliche Verfügung zu Lebzeiten beider Ehegatten nicht widerrufen werden, § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB.
Nach dem Tod eines Ehegatten bzw. Lebenspartners kann der andere seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen nicht mehr widerrufen (§ 2271 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB, § 10 Abs. 4 LPartG); der Überlebende ist an seine eigene Verfügung gebunden.
Rz. 78
Von der Bindungswirkung kann sich der überlebende Ehegatte/Lebenspartner nur dann lösen, wenn er, wie in § 2271 Abs. 2 BGB vorgesehen, die ihm zugedachte Erbeinsetzung ausschlägt oder wenn er im Rahmen einer Selbstanfechtung gem. den §§ 2281, 2078, 2079 BGB (beim Erbvertrag in direkter Anwendung, beim bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament in analoger Anwendung) die Unwirksamkeit der Verfügung herbeiführt oder wenn der bindend Bedachte nach § 2352 BGB in notariell beurkundeter Form auf seine Zuwendung verzichtet.
Ist in einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Ehegattentestament nur die Vor- und Nacherbschaft geregelt, kann das Grundbuchamt einen weiteren Nachweis der Erbenstellung nach dem zuletzt verstorbenen Ehegatten verlangen.
Rz. 79
Sind in einem Erbvertrag vertragsmäßige Verfügungen i.S.v. § 2278 BGB getroffen, so tritt bereits mit Abschluss des Erbvertrages die Bindung ein. Von ihr kann der Erblasser grundsätzlich nicht einseitig zurücktreten, es sei denn, er hat sich den Rücktritt vorbehalten, § 2293 BGB, oder es liegt ein gesetzlicher Rücktrittsgrund vor, § 2294 BGB (ein Pflichtteilsentziehungsgrund) bzw. bei Aufhebung der Gegenverpflichtung, § 2295 BGB.
Hatten sich Eltern gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt und im gemeinschaftlichen Erbvertrag bestimmt, dass ein Kind bei Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll, so muss gegenüber dem Grundbuchamt auch der Nachweis des Nichteintritts der auflösenden Bedingung geführt werden. Den Kindern muss bei der Grundbuchberichtigung nach dem letztverstorbenen Elternteil aber die Möglichkeit eingeräumt werden, durch inhaltlich übereinstimmende, von jedem von ihnen abzugebende eidesstattliche Versicherung den Nachweis zu führen, dass keines der Kinder nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils den Pflichtteil verlangt hat.