Rz. 42
International zuständig für die Ausstellung des ENZ über den gesamten Nachlass sind in erster Linie die Behörden in dem Mitgliedstaat, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte (Art. 64 Abs. 1 S. 1 EuErbVO). Bei der ausstellenden Behörde kann es sich um ein Gericht oder eine andere Behörde handeln. Der Begriff des Gerichts ist weit zu verstehen und erfasst alle Angehörige eines Rechtsberufs, die Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten (Art. 3 Abs. 2 EuErbVO), insbesondere Notare, die in den meisten Mitgliedstaaten – teilweise ausschließlich – für die Ausstellung des Erbnachweises zuständig sind.
Rz. 43
Sollte sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers nicht in einem Mitgliedstaat befunden haben, sind für den gesamten Nachlass zunächst die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, deren Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Todeszeitpunkt besaß (Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO) oder – subsidiär – in dem der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, sofern die Aufenthaltsänderung nicht länger als 5 Jahre zurückliegt (lit. b). Nur wenn keine dieser Zuständigkeiten greift, sind die Gerichte eines Mitgliedstaats hinsichtlich des im betroffenen Mitgliedstaat belegenen Nachlasses international zuständig, § 343 Abs. 3 FamFG. Letztere Zuständigkeit bleibt auch im Verhältnis zu Art. 4 EuErbVO für die Erteilung eines deutschen Erbscheins bestehen, wonach eigentlich für den gesamten Nachlass international die Gerichte zuständig sind, in deren Hoheitsgebiet der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Zuständigkeit des Nachlassgerichts; kein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts bei einer geschäftsunfähigen Person
OLG München, Beschl. v. 22.3.2017:
Zitat
"Verliert der Erblasser seine natürliche Einsichtsfähigkeit, kann er den gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr wechseln. Da der Aufenthalt etwas Tatsächliches ist, ist eine gesetzliche Vertretung des Erblassers im Zusammenhang mit der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht zulässig; denn andernfalls könnte ggfs. ein Betreuer das anzuwendende Erbrecht bestimmen."
Hinweis
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung sollte schon bei der Anordnung der Betreuung geprüft werden, inwieweit der Betreuer berechtigt ist, den Aufenthalt des Betroffenen zu bestimmen.