I. Allgemeines
Rz. 152
Kann die Grundbuchberichtigung nicht im Wege eines freiwilligen Grundbuchverfahrens erfolgen, so ist der Inhaber des Grundbuchberichtigungsanspruchs darauf angewiesen, seinen Anspruch nach § 894 BGB gerichtlich durchzusetzen. Damit wird die grundbuchrechtliche Eintragungsbewilligung im Rahmen einer Leistungsklage mit Rechtskraft des ergehenden Urteils gem. § 894 ZPO ersetzt.
Rz. 153
Als Alternative zur Grundbuchberichtigungsklage kann ein nachlassgerichtliches Verfahren auf Einziehung eines unrichtigen Erbscheins in Betracht kommen (vgl. dazu Rdn 105 ff.).
II. Nichtigkeit einer Grundstücksübertragung des geschäftsunfähigen Erblassers, Klage auf Grundbuchberichtigung und Herausgabe des Nachlassgrundstücks
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 154
Beispiel
Im Grundbuch ist der Käufer eines Gebäudegrundstücks als dessen Eigentümer eingetragen. Verkäufer war der Erblasser E, dessen Alleinerbin seine Tochter T geworden ist.
Der Erblasser E hat mit dem jetzt eingetragenen Eigentümer über das Gebäudegrundstück einen notariellen Kaufvertrag geschlossen, aufgrund dessen die Auflassung sofort in derselben Urkunde erklärt und nachfolgend der Käufer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurde.
Die Alleinerbin des E ist der Meinung, dass der Eigentumsübergang auf den Käufer aus folgendem Grunde nicht wirksam sei:
Ihr Vater sei bei Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Sie hat sich vom behandelnden Hausarzt ein Attest geben lassen, in dem dieser bescheinigt, dass E in den letzten sieben Lebensjahren an Schilddrüsenkrebs, Halswirbelsäulenkrebs (Knochenkrebs) und später auch an seniler Demenz mit zunehmender Progression gelitten habe und wahrscheinlich seit ca. drei Monaten vor Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Der Vater ist im Alter von 84 Jahren gestorben.
Der Käufer sei ein Spekulant. Man müsse damit rechnen, dass er das Grundstück rasch mit hohem Gewinn weiter veräußere.
Lösung
Die von der Alleinerbin geltend gemachte Geschäftsunfähigkeit des Erblassers könnte die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung von E auf den Käufer begründen (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2 BGB).
Dann wäre Erblasser E Eigentümer geblieben. Diese Rechtsposition wäre auf seine Alleinerbin übergegangen (§ 1922 BGB). Die vom Arzt attestierten Krankheiten, vor allem die senile Demenz, könnten im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages (und der Auflassung) einen solchen Grad erreicht gehabt haben, dass Geschäftsunfähigkeit angenommen werden könnte.
2. Beweislast
Rz. 155
Die Störung der Geistestätigkeit gilt als Ausnahme, der Erblasser gilt deshalb so lange als geschäftsfähig, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.
Rz. 156
Das heißt: Die Alleinerbin hat die volle Beweislast für die behauptete Geschäftsunfähigkeit. War der Erblasser vor und nach Vertragsschluss geschäftsunfähig, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für seine Geschäftsunfähigkeit. Wer sich darauf beruft, der Erblasser habe den Vertrag während eines "lucidum intervallum" geschlossen, trägt dafür die Beweislast. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch im Zivilprozess trotz des dort herrschenden Beibringungsgrundsatzes ein Sachverständigengutachten von Amts wegen eingeholt werden kann, also ohne Antrag der beweispflichtigen Partei, §§ 144, 403, 442, 358a ZPO. Insofern nähert sich der Zivilprozess bei entsprechendem Sachvortrag der Parteien dem Amtsermittlungsgrundsatz des Erbscheinsverfahrens (dort § 26 FamFG). Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO ein Sachverständigengutachten ohne Antrag des Beweispflichtigen von Amts wegen einholt; dies befreit die Partei jedoch nicht von ihrer Darlegungs- und Beweislast. Die Anwendung der Beweislastregeln zur Streitentscheidung stellt eine ultima ratio dar, die erst dann zum Tragen kommt, wenn und soweit das Gericht alle zulässigen Beweismöglichkeiten ohne Erfolg ausgeschöpft hat und weitere Feststellungen nicht mehr möglich erscheinen.
Rz. 157
Der Beweis der Geschäftsunfähigkeit könnte geführt werden durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Zur Feststellung der Geschäftsunfähigkeit im Prozess ist nach sorgfältiger Ermittlung des medizinischen Befundes ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten erforderlich (sog. Nervenarzt-Vorbehalt). Ein Gutachten durch den Hausarzt, der nicht Nervenfacharzt ist, sondern Allgemeinarzt, reicht dafür nicht aus. Der behandelnde Hausarzt wäre sachverständiger Zeuge, § 414 ZPO (zu seiner Verschwiegenheitspflicht siehe Rdn 160).
Rz. 158
Da der Kaufvertrag (samt Auflassung) notariell beurkundet wurde, könnten die Feststellungen des Notars über die Geschäftsfähigkeit des Erblassers bei der Beweisführung von Bedeutung sein (§ 11 BeurkG). Allerdings ist ohne Vorlage der Kaufvertragsurkunde nicht festzustellen, ob der Notar in die Urkunde seine Wahrnehmungen zur Geschäftsfähigkeit aufgenommen hat.
Selbst wenn sie enthalten sind, so sind sie kein Beweis (für die festgestellte Geschäftsfähigkeit), weil der Notar kein medizinischer Sachverständiger ist, sondern medizinischer Laie. Aber bei der Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 286 ZPO) können die...