I. Die Generalvollmacht als transmortale Vollmacht
Rz. 306
Dass eine über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkende Vollmacht auch als Generalvollmacht – in der Praxis sehr häufig als Vorsorgevollmacht – erteilt werden kann, ist allgemein anerkannt. Rechtsfolge der Vollmacht über den Tod hinaus ist, dass der Bevollmächtigte nach dem Tod des Vollmachtgebers dessen Erben in Bezug auf den Nachlass vertritt. Da der Bevollmächtigte seine Befugnis vom Erblasser herleitet, kann er alle Rechtsgeschäfte so vornehmen, wie dieser es hätte tun können. Der Bevollmächtigte kann Umschreibungen von Nachlassgrundstücken im Grundbuch veranlassen, ohne den Erben namhaft zu machen.
Rz. 307
Seit dem Beschluss des Reichsgerichts vom 28.6.1916 ist es unstreitig, dass der über den Tod des Vollmachtgebers hinaus von diesem Bevollmächtigte im Grundbuchverkehr keinen Erbnachweis vorzulegen braucht, solange die Vollmacht noch besteht und sofern die Erben nicht im Grundbuch einzutragen sind. Dies gilt auch dann, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet ist.
Rz. 308
An die Stelle des ursprünglichen Vollmachtgebers, des Erblassers, sind nunmehr ihre Erben als Vollmachtgeber getreten. Diese materiellrechtliche Rechtsfolge braucht dem Grundbuchamt aber nicht in der Form eines Erbscheins bzw. eines Europäischen Nachlasszeugnisses oder eines diesem gleichgestellten Erbnachweises (§ 35 GBO), aus dem die Personen der Erben ersichtlich wären, nachgewiesen zu werden. Die Erben brauchen nicht einmal genannt zu werden. Vielmehr ergibt sich diese Rechtsfolge daraus, dass die Vollmacht über den Tod hinaus erteilt wurde, was zweifelsfrei materiellrechtlich möglich ist.
Rz. 309
Soll das Eigentum an einem Nachlassgrundstück gemäß der erklärten Auflassung (§ 925 BGB), der Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) und dem gestellten Eintragungsantrag (§ 13 GBO) sofort ohne vorherige Berichtigung des Grundbuchs durch (Vor-)Eintragung der Erben auf einen Erwerber eingetragen werden, so ist die Voreintragung der Erben (§ 39 GBO) als Rechtsnachfolger (§ 1922 BGB) aufgrund der Ausnahmeregelung des § 40 Abs. 1 GBO (Übertragung eines Rechts) nicht erforderlich.
Auch bei einer postmortalen Vollmacht brauchen die Erben bei der Erklärung der Auflassung nicht mitzuwirken.
II. Vollmachtserteilung des Erblassers an seinen Alleinerben
Rz. 310
Die Vollmacht an einen Alleinerben erlischt mit dem Tod des Vollmachtgebers.
Zitat
"Eine Vollmacht erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird. …"
Das OLG München zur rechtsdogmatischen Konstruktion der transmortalen Vollmacht bei gleichzeitig angeordneter Testamentsvollstreckung:
Zitat
"…Die transmortale Generalvollmacht kann selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. …"
Dies wird bestätigt vom OLG München zur postmortalen Vollmacht bei gleichzeitiger Testamentsvollstreckung.
Rz. 311
Widerruf der Vollmacht bei Testamentsvollstreckung
Die transmortale Vollmacht wird nicht vom Testamentsvollstrecker widerrufen, sondern von jedem Erben für sich, denn der Widerruf ist kein Verwaltungshandeln.
Praxistipp
Die Vollmacht wird für die Zeit ab dem Tod einem Ersatzbevollmächtigten erteilt.
Rz. 312
Erbnachweis bei transmortaler Vollmacht an Alleinerben
OLG München:
Zitat
1. Grundbuchverfahrensrechtlich ist der Nachweis der Verfügungsbefugnis durch öffentliche Urkunden positiv und vollständig zu erbringen. Wird der der transmortalen Vollmacht innewohnende Rechtsschein dadurch zerstört, dass der Bevollmächtigte zugleich erklärt, Alleinerbe der Vollmachtgeberin zu sein und als solcher zu handeln, ist die Verfügungsbefugnis ohne den Erbennachweis gemäß § 35 GBO nicht belegt (insoweit Anschluss an OLG Hamm vom 10.1.2013, OLG Hamm Az I 15 W 79/12).
2. Entscheidend für die Frage, ob ein Alleinerbe mit transmortaler Generalvollmacht ohne Erbennachweis grundbuchrechtlich hinreichend legitimiert ist, ist die eigene Erklärung des Alleinerben: soweit er sich ausdrücklich...