Rz. 95
Deshalb stellt sich die Frage nach einem wirksamen Schutz für den materiell Berechtigten. Kann er rein vorsorglich das Grundbuchamt durch Einreichung einer Schutzschrift quasi "bösgläubig" machen, das Grundbuchamt also auf Zweifel an der Wirksamkeit eines Testaments aufmerksam machen, so dass die Berichtigung des Grundbuchs zunächst unterbleibt, dem Grundbuchamt die Zweifel bekannt werden und in einem Erbscheinsverfahren die wirkliche Rechtslage in Bezug auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen geklärt wird? Oder kann er schon das Nachlassgericht auf diese Zweifel hinweisen, so dass dieses keine beglaubigten Abschriften mehr erteilen darf?
Von der Rechtsprechung sind vorbeugende Schriftsätze in der Form von Schutzschriften bisher lediglich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, insbesondere im Wettbewerbsrecht, anerkannt. Das Grundbuchberichtigungsverfahren in den hier angesprochenen Fällen und das Verfahren beim einstweiligen Rechtsschutz sind insofern in einem wesentlichen Punkt vergleichbar, als eine gerichtliche Entscheidung – der Grundbucheintrag bzw. die einstweilige Verfügung – ergeht, ohne andere Beteiligte bzw. den Antragsgegner vorher anzuhören und diese Entscheidung die Gefahr einer Schädigung anderer Beteiligter bzw. des Antragsgegners mit sich bringt. Bei der Berichtigung des Grundbuchs auf den Testamentserben trotz erheblicher Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testaments droht ein endgültiger Rechtsverlust und damit eine Schädigung des wirklich Berechtigten durch einen gutgläubigen Erwerb eines Dritten auf der Basis der §§ 891, 892 BGB, wenn man von den äußerst schwachen Bereicherungsansprüchen nach §§ 816, 822 BGB absieht.
Die zuvor genannten Beispiele einer Unwirksamkeit eines Testaments zeigen, dass bei der Berichtigung des Grundbuchs berechtigte Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Testaments auftreten können, die das Grundbuchamt nicht berücksichtigen kann, weil es von nicht zu vernachlässigenden Zweifeln an der Wirksamkeit eines Testaments keine Kenntnis hat und aus diesem Grund auch nicht die Vorlage eines Erbscheins verlangt.
Dass der wirklich Berechtigte das Nachlassgericht über bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Testaments informieren und auf diese Weise u.U. verhindern kann, dass eine beglaubigte Abschrift des Eröffnungsprotokolls erteilt wird, ist kein lückenloser Schutz. Denn zum einen kann die Abschrift evtl. schon vorher erteilt worden sein, zum anderen ist nicht gesichert, dass das Nachlassgericht sein Ermessen auch im Sinne des wirklich Berechtigten ausüben wird.
Aus den genannten Gründen gibt es ein Bedürfnis für eine vorbeugende Schutzschrift gegenüber dem Grundbuchamt im Grundbuchberichtigungsverfahren.