1. Widerspruch und Rechtshängigkeitsvermerk
a) Formale Hürden für den Widerspruch
Rz. 183
Der vom Gesetz zur Verfügung gestellte Widerspruch nach § 899 BGB, der gegen die Richtigkeit eines falschen Grundbucheintrags "protestiert", kann im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn entweder der Buchberechtigte die Eintragung bewilligt oder wenn eine einstweilige Verfügung ergangen ist (§ 899 Abs. 2 BGB).
Da die wirksame Rechtssicherung bei dinglichen Grundstücksrechten an einen – wie auch immer gearteten – Grundbucheintrag geknüpft ist, hat die Rechtsprechung das Institut des Rechtshängigkeitsvermerks – also einen Grundbucheintrag – entwickelt, um die vorläufige Sicherung eines dinglich Berechtigten – in der Praxis fast immer des Eigentümers – zu erzielen. Der BGH verlangt dafür neuerdings eine einstweilige Verfügung.
b) Vorteile des Widerspruchs
Rz. 184
Allerdings kann der Widerspruch trotzdem Vorzüge gegenüber dem Rechtshängigkeitsvermerk haben: Der Rechtshängigkeitsvermerk setzt die Zustellung einer Klage voraus, deren Streitgegenstand ein dingliches Recht an dem Grundstück ist. Mit der Zustellung der Klage erfährt der Anspruchsgegner und Beklagte zwingend von dem Rechtsstreit: Er könnte u.U. noch schnell an einen gutgläubigen Erwerber rechtlich wirksam veräußern.
Dagegen kann eine einstweilige Verfügung, deren Ziel die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch ist, ohne mündliche Verhandlung und u.U. ohne vorherige Mitteilung an den Antragsgegner ergehen. In einem solchen Falle erfährt der Antragsgegner erst nach Eintragung des Widerspruchs von der Sache. Diese taktischen Überlegungen muss der Rechtsberater vorher anstellen.
Ein weiterer Unterschied ist zu beachten: Für den Fall, dass die einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen sein sollte, kann eine Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO entstehen.
c) Erfordernis der "doppelten Gutgläubigkeit" des Erwerbers
aa) Guter Glaube an die Eigentümerposition und die Nicht-Rechtshängigkeit
Rz. 185
Um alle Erfordernisse eines gutgläubigen Erwerbs zu erfüllen, muss der Erwerber des streitbefangenen Grundstücks, wenn er tatsächlich vom Nichtberechtigten erwirbt, in zweierlei Hinsicht gutgläubig sein:
Zum einen gelingt der gutgläubige Erwerb nur, wenn der Erwerber entsprechend den materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 892 BGB bezüglich der Eigentümerposition des Veräußerers gutgläubig ist. Zum anderen muss der Erwerber – wie sich aus § 325 Abs. 2 ZPO ergibt – zusätzlich auch bezüglich einer vermeintlich nicht vorhandenen Rechtshängigkeit des Eigentumsrechts gutgläubig sein. Damit erhöht § 325 Abs. 2 ZPO die Hürde für einen gutgläubigen Erwerb einer streitbefangenen Sache.
bb) Entsprechende Anwendung der Gutglaubensvorschriften auf die Rechtshängigkeit
Rz. 186
Da § 325 Abs. 2 ZPO auf die Gutglaubensvorschriften des BGB verweist, kann gutgläubiger Erwerb nur stattfinden, wenn auch das materielle Recht diese Möglichkeit kennt. Dies ist beim Grundstückseigentum unproblematisch, da § 892 BGB die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs regelt.
§ 325 Abs. 2 ZPO regelt nur den Erwerb vom Nichtberechtigten für den Fall, dass das Urteil dem nichtberechtigten Rechtsvorgänger das Eigentumsrecht aberkennt. Der Erwerber soll geschützt werden, wenn er von dem Rechtsstreit nichts wusste. Mit der Verweisung auf die materiellrechtlichen Gutglaubensvorschriften wird auch klargestellt, dass nur die positive Kenntnis von der Rechtshängigkeit schadet, nicht auch die grob fahrlässige Unkenntnis. Dabei ist aber der Grundsatz des Grundbuchrechts von Bedeutung, wonach jeder Eintrag Rechtswirkungen erzeugt, gleichgültig, ob Beteiligte davon Kenntnis haben oder nicht.
cc) Zerstörung des guten Glaubens eines potenziellen Erwerbers
Rz. 187
War der Erwerber im Hinblick auf die materiellrechtliche Eigentümerposition bösgläubig, aber gutgläubig im Hinblick auf die Rechtshängigkeit, so kann der materiellrechtliche Erwerb nicht eintreten. Seine teilweise Gutgläubigkeit nützt dem Erwerber also nichts.
War der Erwerber jedoch bezüglich der materiellrechtlichen Eigentümerposition gutgläubig, aber bezüglich der Rechtshängigkeit bösgläubig, so erstreckt sich die Rechtskraft des die Eigentümerposition aberkennenden Urteils auf ihn und er kann sich nicht auf die Gutgläubigkeit bezüglich des Eigentums berufen.
Rz. 188
Weil Gutglaubenswirkungen bei Grundstücken und ihre Entkräftung in erster Linie an Grundbucheintragungen anknüpfen, müssen die Tatsache der Rechtshängigkeit und die Rechtsfolge der Rechtskrafterstreckung durch Grundbucheintrag verlautbart werden können. Denn ein entsprechender Eintrag im Grundbuch würde auch den gutgläubigen Erwerb eines Redlichen verhindern, der von der Rechtshängigkeit nichts weiß.
dd) Eintragungsfähigkeit der Rechtshängigkeit
Rz. 189
Die Eintragung eines solchen Vermerks, der auf die eingetretene Rechtshängigkeit hinweist, ist im Gesetz nicht vorgesehen, seine Zulässigkeit jedoch inzwischen allgemein anerkannt. Der BGH verlangt allerdings als Eintragungsgrundlage eine einstweilige Verfügung (siehe Rdn 189 ff.).