1. Allgemeines
Rz. 230
Die Erbengemeinschaft entsteht kraft Gesetzes ohne Zutun der Miterben als "Zufallsgemeinschaft". Rechtsgeschäftlich könnte eine Gesamthandsgemeinschaft mit der Organisationsstruktur der Erbengemeinschaft nicht begründet werden. Um vor allem den Nachlassgläubigern den Nachlass als Haftungssubstanz wertmäßig zu erhalten und zur Erhaltung der Verwaltungseinheit und -zuständigkeit, ordnet das Gesetz Nachlasssurrogate kraft Gesetzes – unabhängig vom Willen der Handelnden – dem Sondervermögen Nachlass zu.
Rz. 231
Dies gilt auch für Grundeigentum. Grundstücke als Surrogate spielen vor allem bei landwirtschaftlichen Betrieben und anderen Unternehmen eine Rolle. Die als Surrogate erworbenen Grundstücke können von den Erben in Erbengemeinschaft erworben und auch in dieser Weise im Grundbuch eingetragen werden.
Vgl. zum Verwaltungshandeln in der Erbengemeinschaft in Bezug auf Immobilien § 12 Rdn 60 ff.
2. Zweck der dinglichen Surrogation: Werterhaltung der Sachgesamtheit Nachlass
Rz. 232
Nachlässe in gesamthänderischer Bindung einer Erbengemeinschaft werden oft jahrzehntelang von den Miterben verwaltet. Ergreifen die Erben Haftungsbeschränkungsmaßnahmen, so steht den Nachlassgläubigern als Zugriffsobjekt nur der Nachlass zur Verfügung, nicht auch das jeweilige Eigenvermögen der Erben.
Im Interesse der Erben und der Nachlassgläubiger sichert die in § 2041 S. 1 BGB angeordnete dingliche Surrogation die Erhaltung des Sondervermögens Nachlass in seinem wirtschaftlichen Wert bis zur Auseinandersetzung. Unabhängig von der Willensrichtung des für den Nachlass Handelnden sollen bestimmte Erwerbsvorgänge dem Nachlass zugeordnet werden.
3. Drei Surrogationsarten des § 2041 BGB
a) Grundsatz
Rz. 233
In § 2041 BGB sind drei Arten der dinglichen Surrogation normiert:
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die Rechtssurrogation, |
▪ |
die Ersatzsurrogation und |
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die Beziehungs- bzw. Mittelsurrogation. |
b) Rechtssurrogation
Rz. 234
Alles, was aufgrund eines zum Nachlass gehörenden Rechts erworben wird, gehört zum Nachlass.
Wird eine zum Nachlass gehörende Forderung erfüllt, so fällt das Geleistete in den Nachlass, bspw. der Mietzins für eine zum Nachlass gehörende vermietete Sache. Dazu gehören auch Ansprüche nach § 985 BGB, bspw. bei der Rückabwicklung eines Nachlassauseinandersetzungsvertrages: Beim Rücktritt vom oder Anfechtung des Nachlassauseinandersetzungsvertrages gehört der Rückgewähranspruch (§ 346 S. 1 bzw. § 812 Abs. 1 BGB) zum Nachlass, so dass an den auseinander gesetzten Nachlassgegenständen, insbesondere an den Nachlassgrundstücken, wieder Gesamthandseigentum in Erbengemeinschaft entsteht, das erneut auseinanderzusetzen ist.
Rz. 235
Gleichgültig ist, ob die originären Rechtspositionen dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht entspringen.
Wurden noch zu Lebzeiten des Erblassers Ansprüche nach dem Vermögensgesetz begründet, so gehören die entsprechenden Leistungen zum Nachlass, und zwar kraft Rechtssurrogation.
c) Ersatzsurrogation
Rz. 236
Was als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstandes anzusehen ist, fällt in den Nachlass; also alle Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung oder wegen Vertragsverletzung. Auch Versicherungsansprüche über Nachlassgegenstände werden von der Ersatzsurrogation erfasst.
d) Beziehungssurrogation
aa) Ausgangssituation
Rz. 237
Der Erwerb aus einem – schuldrechtlichen oder dinglichen – Rechtsgeschäft, das sich auf den Nachlass bezieht, fällt in den Nachlass. Jeder Erwerb mit Mitteln des Nachlasses oder für den Nachlass fällt darunter. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein einzeln handelnder Miterbe zur Vornahme des Rechtsgeschäfts befugt war.
Fraglich ist, ob eine rein objektive Beziehung zum Nachlass ausreicht, oder ob zusätzlich ein entsprechender Wille des Handelnden erforderlich ist. Die Beantwortung dieser Frage ist davon abhängig, woher die eingesetzten Mittel stammen.
Diese Art der Surrogation ist beim Erwerb bspw. landwirtschaftlicher Grundstücke von Bedeutung, wenn ein Hof in Erbengemeinschaft fortgeführt wird.
bb) Erwerb mit Nachlassmitteln
Rz. 238
Wird das Rechtsgeschäft mit Mitteln des Nachlasses vorgenommen, so reicht eine objektive Beziehung zu dem Sondervermögen Nachlass aus. Andernfalls wäre der Schutzzweck des § 2041 BGB – die Erhaltung des Nachlasswertes – nicht zu erfüllen. Selbst ein anders lautender Wille der Handelnden ist bedeutungslos. Der BGH hat eine objektive Beziehung ausreichen lassen, wenn sich das Geschäft als eine typische Maßnahme der Verwaltung des Nachlasses darstellt, gleichgültig, mit welchen Mitteln das Geschäft finanziert wird.
cc) Erwerb mit nachlassfremden Mitteln
Rz. 239
Die h.M., insbesondere auch der BGH, hält das Eingreifen der Beziehungssurrogation auch bei Einsatz nachlassfremder Mittel für möglich. Wird mit privaten Mitteln eines Miterben und deshalb mit nachlassfremden Mitteln erworben, so sind sowohl ein subjektiver Wille, für den Nachlass erwerben zu wollen, als auch ein objektiver innerer Zusammenhang erforderlich. Ein objektiver Zusammenhang kann...