Rz. 93
Die Darstellung soll hier nur in groben Zügen erfolgen, da dieser Komplex am besten in der diesbezüglichen Spezialliteratur dargestellt ist. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle die hervorragende und sehr praktikable Darstellung bei Schah Sedi/Schah Sedi, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 5, § 4 Rn 24 ff., die mit einer Fülle von Berechnungsbeispielen, Formularen und Mustern ausgestattet ist. Da dort eine wesentlich intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgt und die Beispiele hervorragend zur Berechnung der Barunterhaltsschäden herangezogen werden können, soll nachstehend nur ein grober Überblick für die Anwendung in der täglichen Praxis gegeben werden.
Rz. 94
Tipp
Die Barunterhaltsberechnung ist selbst für den versierten Verkehrsrechtler immer wieder kompliziert und es empfiehlt sich daher, sich stets anhand des "Küppersbusch" oder anderer Spezialliteratur zu orientieren, wenn derartige Berechnungen angestellt werden müssen.
a) Tod des Alleinverdieners
Rz. 95
In der Praxis wird aufgrund der hierzu ergangenen Rechtsprechung der Schaden nach folgendem Schema errechnet (OLG Brandenburg zfs 1999, 330):
▪ |
Nettoeinkommen des Getöteten abzüglich Aufwendungen zur Vermögensbildung |
▪ |
abzüglich fixe Kosten der Haushaltsführung |
▪ |
davon Unterhaltsanteil der Hinterbliebenen |
▪ |
zuzüglich fixe Kosten |
▪ |
abzüglich Vorteilsausgleich. |
aa) Nettoeinkommen
Rz. 96
Zu dem Nettoeinkommen zählen sämtliche Gehaltsbestandteile (BGH NJW 1981, 1313): Überstundenvergütungen, Zulagen, Gratifikationen, Weihnachts- und Urlaubsgeld und Prämien, Erziehungsgeld, Eigenheimzulage und Kinderzulagen (BGH zfs 2004, 114 ff.).
Rz. 97
Ferner gehören dazu etwaige Steuerrückerstattungen und Renten, die der Befriedigung des Unterhaltsbedarfs dienen, und Nebenverdienste (sofern nicht aus gesetzlich verbotener Schwarzarbeit).
Rz. 98
Auch Ertrag aus Vermögen zählt zu den Einkünften, sofern er von dem Getöteten zur Deckung des Familienunterhaltes tatsächlich verwandt wurde. Zudem sollen auch über das voraussichtliche Renteneintrittsalter hinaus Nebeneinkünfte zu berücksichtigen sein, die der Getötete bis zum Tod aus unselbstständiger Arbeit überobligatorisch erwirtschaftet hätte, wenn angenommen werden kann, dass er dieses Einkommen ohne den Unfall weiter erzielt hätte (OLG Koblenz VersR 2019, 1443).
Rz. 99
Nicht dazu gehören: Reine Aufwandsentschädigungen aller Art (z.B. Spesenersatz), Einkünfte aus verbotener Schwarzarbeit, Eigenleistungen beim Hausbau, Kindergeld.
Rz. 100
Wichtig: Vom Nettoeinkommen sind noch neben den Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen folgende weitere Abzüge vorzunehmen:
▪ |
Beiträge für freiwillige Versicherungen des Getöteten (Hausrat-, Gebäude-, Privathaftpflicht-, Rechtsschutzversicherung: sie sind dann später bei den "fixen Kosten" zu berücksichtigen), |
▪ |
Aufwendungen zur Vermögensbildung: Hier kommt es nur auf die tatsächlichen Zahlungen an, z.B. Tilgungsraten für Grundstückshypothek, Bausparbeiträge, Hypothekenzinsen und Grundlasten, soweit sie die fiktiven Kosten des Mietzinses übersteigen (bis zur Höhe des fiktiven Mietzinses sind sie wieder später bei den "fixen Kosten" zu berücksichtigen). |
Rz. 101
Bei höheren bis sehr hohen Einkommen besteht keine Verpflichtung, das gesamte Nettoeinkommen zum Familienunterhalt zur Verfügung zu stellen. In früherer Rechtsprechung wurden deshalb nur noch Teile des Nettoeinkommens eines besonders gut verdienenden Ehegatten zur Unterhaltsberechnung herangezogen (z.B. von 5.000 DM nur 3.000 DM – BGH VersR 1979, 324).
Diese – ohnehin kaum nachvollziehbare – Rechtsprechung hält der BGH für den Ehegattenunterhalt nicht mehr vollständig aufrecht. Er setzt eine "Sättigungsgrenze" fest: Ein solcher Abzug ist nur noch in Extremfällen vorzunehmen (BGH VersR 1987, 1243; NJW 1982, 1645). Bei besonders hohen Einkommen besteht grundsätzlich die Vermutung, dass von dem Einkommen in besonderem Maße Rücklagen zur Vermögensbildung getätigt worden wären. Dieses führt u.U. zu einer Reduzierung besonders hoher Einkommen bei der Unterhaltsschadensberechnung, es sei denn, der Hinterbliebene weist nach, dass derartige Rücklagen nicht oder zumindest nicht in dem behaupteten Umfang gebildet, sondern das gesamte Einkommen verbraucht wurde.
bb) Fixe Kosten
Rz. 102
Den Hinterbliebenen sind diejenigen Kosten vorab zuzubilligen, die der Sicherung einer standesgemäßen Haushaltsführung dienen. Sie werden zunächst beim Nettoeinkommen des Getöteten abgezogen und später dann dem errechneten Unterhaltsanteil des/der Hinterbliebenen wieder hinzugerechnet.
Rz. 103
Bei den fixen Kosten handelt es sich um Aufwendungen, die der Unterhaltsverpflichtete dem Unterhaltsberechtigten nach Maßgabe seines Lebensbedarfs schuldet (BGH DAR 2007, 201, 203). Das Gericht kann jedoch, anstatt die Leistungen im Einzelnen auf die Leistungsempfänger zu verteilen, nach § 287 ZPO schätzen und dabei einen Mittelwert berücksichtigen. Der BGH hat deshalb eine Verteilung von 2:1 bei einem Elternteil mit Kind nicht beanstandet und dabei dem Erfahrungssatz Rechnung getragen, dass der Unterhaltsbedarf ein...