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Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Höhe des Anspruchs in keiner Weise gesetzlich zu regeln, sondern zur Ermöglichung einer Einzelfallgerechtigkeit den Gerichten zu überlassen. Nach der Gesetzesbegründung erscheint deutlich, dass der Anspruch jedem einzelnen Hinterbliebenen zusteht, also auch vom Gericht für jeden Anspruchsberechtigten gesondert zuzusprechen ist (Wagner, NJW 2017, 2641, 2645). Umgekehrt soll allerdings beim Tode mehrerer Personen, zu denen ein besonderes Näheverhältnis besteht (z.B. unfallbedingtes Versterben eines Ehepaars), den Hinterbliebenen wie beim Schockschaden ein einheitliches Hinterbliebenengeld aufgrund einer Gesamtbetrachtung gewährt werden (Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 407).

Die Vorstellung des Gesetzgebers geht dahin, dass die Höhe der Entschädigung im Durchschnitt 10.000 EUR pro Hinterbliebenen betragen und sich an den Schmerzensgeldbeträgen orientieren soll, die für Schockschäden zugesprochen werden (BT-Drucks 18/11397, 10). Zu Recht infrage gestellt wird insoweit allerdings bereits der Ansatz des Gesetzgebers, wonach bei Schockschäden Schmerzensgelder in einer durchschnittlichen Größenordnung von 10.000 EUR zugesprochen würden (Müller, VersR 2017, 321, 325), während zutreffend eher eine Größenordnung von 3.000 – 5.000 EUR erscheint (Burmann/Jahnke, NZV 2017,401, 409; Quaisser, DAR 2017, 688, 691; Bredemeyer, ZEV 2017, 690 692).

Unterschiedlich sind dementsprechend die bisherigen Stimmen in der Literatur zur Höhe des Hinterbliebenengeldes:

Nach Wagner (NJW 2017, 2641, 2645) sollte für den im Gesetz genannten Personenkreis 10.000 EUR die Untergrenze darstellen, während er eine Obergrenze von 20.000 EUR befürwortet. Huber (JuS 2018, 744, 749) weist auf Walter (MedR 2018, 213, 217: 10.000–12.000 EUR), Katzenmeier (JZ 2017, 869, 876: 5.000–15.000 EUR) und Wagner (NJW 2017, 2641 2645: 5000–20.000 EUR) hin und führt zu Recht aus, der Rahmen dürfe jedenfalls nicht "beleidigend niedrig" sein.

Deutlich niedriger, nämlich in der vorgenannten Größenordnung des Schmerzensgeldes beim Schockschaden von 3.000–5.000 EUR, verorten verschiedene Literaturmeinungen die Höhe eines angemessenen Hinterbliebenengeldes (Nugel, zfs 2018, 72 77; Burmann/Jahnke, NZV 2017,401, 409). Aus Sicht von Quaisser (DAR 2017, 688, 691) hat das Hinterbliebenengeld unter dem Rahmen des Schockschadens zu bleiben, also in einer Größenordnung von 2.500–3.000 EUR.

Rechtsprechung liegt bisher kaum vor. Zu nennen ist eine Entscheidung des LG Tübingen (DAR 2019, 468 = NZV 2019, 626), welches der Witwe 12.000 EUR, jedem Kind 7.500 EUR und dem Bruder des Getöteten 5.000 EUR zugesprochen hat.

Bemessungskriterien sollen nach Jaeger (VersR 2017, 1041, 1054) sein:

Das Leid des Hinterbliebenen, ohne dass es auf die Intensität ankommt, denn jeder Hinterbliebene, der überhaupt Trauer und Leid empfindet, soll das Hinterbliebenengeld erhalten;
die Schwere der Schuld;
die Mitverantwortung des Getöteten;
die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Angehörigen;
das Regulierungsverhalten des Zahlungspflichtigen, wenn es das seelische Leid vergrößert hat (ebenso Zwickel, NZV 2015, 214 216);
die Betriebsgefahr und
die Verjährung.

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