Rz. 200

Wenn ein Ausländer in Deutschland getötet wird, findet deutsches Deliktsrecht, insbesondere § 844 Abs. 2 BGB, Anwendung.

 

Rz. 201

Nach welchem Recht sich jedoch die Vorfrage beurteilt, ob und in welchem Umfang ein Hinterbliebener einen Unterhaltsanspruch gegen den Getöteten gehabt hätte, bestimmt Art. 18 EGBGB (Einzelheiten bei Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 13. Aufl. 2020, Rn 469 ff.).

 

Rz. 202

Für die getötete Hausfrau gilt u.U. die Besonderheit, dass in einigen Ländern der Ehemann nur einen Anspruch wegen entgangener Dienste entsprechend der Regelung in § 845 BGB hat. Der Anspruch ist gleichwohl in Deutschland als Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Unterhalts nach § 844 Abs. 2 BGB zu qualifizieren (BGH VersR 1976, 295). Nach deutschem Recht beurteilt sich dann wieder die Höhe des Schadensersatzes, die Schadensminderungspflicht und der Vorteilsausgleich. Für die Beerdigungskosten sind als Maßstab für eine standesgemäße Beerdigung auch die Besonderheiten des fremden Kulturkreises mit zu berücksichtigen (KG DAR 1999, 115).

 

Rz. 203

Nach der Rechtsordnung vieler Länder ist aber der Kreis der Unterhaltsberechtigten größer als nach deutschem Recht. So sind z.B. Geschwister unterhaltsberechtigt in Griechenland, Italien, Portugal, Schweiz, Spanien und der Türkei. In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens ist die Rechtslage derzeit unübersichtlich. In Italien haben auch halbblütige Geschwister einen Unterhaltsanspruch. In Belgien, Frankreich und den Niederlanden trifft dies für die Schwiegereltern und Schwiegerkinder zu. In Portugal ist u.U. sogar noch der Onkel verpflichtet. Dagegen hatte im ehemaligen Jugoslawien die Ehefrau nur ein Unterhaltsrecht, wenn sie kein Vermögen hat, arbeitsunfähig oder arbeitslos ist. Es empfiehlt sich, das Bestehen und den Umfang eines Unterhaltsrechts jeweils besonders zu prüfen (Einzelheiten bei Küppersbusch/Höher, a.a.O., Rn 470).

 

Rz. 204

Was die Höhe des geschuldeten Unterhalts anbelangt, bestehen in den europäischen Ländern kaum Abweichungen vom deutschen Recht. Maßgeblich ist auch dort jeweils die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und der Bedarf bzw. die Bedürftigkeit der Berechtigten. Leistungsfähigkeit und Bedarf hängen entscheidend vom allgemeinen Lebenshaltungskosten- und Einkommensniveau am Aufenthaltsort des Betroffenen ab (zum Kaufkraftgefälle und zu den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen in den Gastarbeiterländern Küppersbusch/Höher, a.a.O. Rn 471).

 

Rz. 205

Dabei kommt es wesentlich darauf an, ob die Familie des Ausländers zusammen mit ihm in Deutschland wohnte oder sich noch im Heimatland aufhielt, wann der Getötete ohne den Unfall ins Heimatland zurückgekehrt wäre und wann die Hinterbliebenen tatsächlich Deutschland verlassen (Küppersbusch/Höher, a.a.O., Rn 473). War lediglich der Getötete in Deutschland, die Familie aber noch im Heimatland, besteht im Vergleich zu deutschen Verhältnissen ein erheblich höherer Eigenbedarf des Mannes und ein wesentlich niedrigerer Unterhaltsbedarf der Familie. Für den Mann wären die Kosten des zweiten Haushalts und der Heimfahrten angefallen. Für den Unterhaltsbedarf der Hinterbliebenen sind die wesentlich niedrigeren Lebenshaltungskosten im Heimatland zu berücksichtigen.

 

Rz. 206

Aber auch wenn sich die gesamte Familie in Deutschland befand, ist zu berücksichtigen, dass regelmäßig nicht das gesamte Einkommen zum Unterhalt verbraucht wird, sondern, wozu auch eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung besteht, erhebliche Rücklagen für die spätere Rückkehr ins Heimatland gebildet werden. Ebenso wie im Verletztenfall kommt es im Übrigen darauf an, wann der Ausländer ohne den Unfall Deutschland wieder verlassen hätte (Küppersbusch/Höher, a.a.O., Rn 476). Ab diesem Zeitpunkt ist für die Berechnung des Unterhaltsschadens das im Heimatland erzielbare Nettoeinkommen zugrunde zu legen, dies allerdings auch nur unter der Voraussetzung, dass die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben voraussichtlich möglich gewesen wäre.

 

Rz. 207

Kehrt die Familie unfallbedingt vorzeitig ins Heimatland zurück, verringert sich der Unterhaltsbedarf. Der Anspruch ist entsprechend dem Verhältnis der Lebenshaltungskosten in Deutschland zu den Kosten im Heimatland zu kürzen (Einzelheiten bei Küppersbusch/Höher, a.a.O., Rn 477).

 

Rz. 208

Auch bei Tötung einer Hausfrau kommt es darauf an, ob die Familie zusammen lebte und wann sie voraussichtlich ohne den Unfall oder tatsächlich infolge des Unfalls wieder im Heimatland gewohnt hätte bzw. wohnt. Ein Unterhaltsanspruch des Ehemanns auf Haushaltsführung scheidet aus, wenn er allein in Deutschland in einem zweiten Haushalt lebte. Kehrt die Restfamilie wieder ins Heimatland zurück, sind die dort beträchtlich niedrigeren Kosten einer vergleichbaren Ersatzkraft zu berücksichtigen; häufig wird dann auch die Betreuung der Familie durch die Großmutter oder andere Verwandte übernommen (Küppersbusch/Höher, a.a.O., Rn 478).

 

Rz. 209

Das befreit den Schädiger allerdings grundsätzlich nicht d...

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