a) Zahlungsunfähigkeit

 

Rz. 25

Die Zahlungsunfähigkeit wird in § 17 Abs. 2 S. 1 definiert. Die Zahlungsunfähigkeit ist dann durch den Gutachter festzustellen. Nach Abs. 2 S. 1 ist Zahlungsunfähigkeit dann gegeben, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die Zahlungsunfähigkeit ist aber von einer bloßen Zahlungsstockung abzugrenzen. Nicht jede Liquiditätslücke führt unweigerlich zur Zahlungsunfähigkeit. Kann der Insolvenzschuldner innerhalb einer Frist von 3 Wochen eine Liquiditätslücke von weniger als 10 % seiner Gesamtverbindlichkeiten nicht schließen, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen.[17] Die Zahlungsunfähigkeit kann aber widerlegt werden. Der Schuldner kann darlegen und beweisen, dass die bestehende Liquiditätslücke kurzfristig vollständig oder fast vollständig geschlossen wird.

b) Drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO

 

Rz. 26

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach § 18 InsO gegeben, wenn der Insolvenzschuldner nicht in der Lage sein wird seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit zu erfüllen. Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist nur Insolvenzgrund bei so genannten "Eigenanträgen" eines Insolvenzschuldners und nicht bei Fremdanträgen. Dieser Insolvenzantragsgrund soll es dem Insolvenzschuldner ermöglichen relativ frühzeitig in die Sanierungsphase überzuleiten und die Gläubiger entsprechend zu schützen.

c) Überschuldung

 

Rz. 27

Nur bei juristischen Personen ist die Überschuldung ein Insolvenzeröffnungsgrund. Grundsätzlich ist Überschuldung gegeben, wenn die Aktiva die Passiva übersteigen.

Die Entwicklung des Überschuldungsbegriffes hat sich in drei zeitlichen Stufen vollzogen. In der Konkurs- und der Gesamtvollstreckungsordnung war die Überschuldung nicht rechtlich definiert. Aus diesem Grunde hatte die Rechtsprechung den so genannten modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff entwickelt.

 

Rz. 28

Mit Einführung der Insolvenzordnung wurde der einfache zweistufige Überschuldungsbegriff eingeführt. Dieser galt für den Zeitraum vom 1.1.1999 bis zum 17.10.2008. In diesem Zeitraum lautete die Fassung des §§ 19 Abs. 2 InsO wie folgt:

 

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens des Schuldners zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.

Bei der damaligen Überschuldungsprüfung führte eine einfache positive Fortführungsprognose dazu, dass die Vermögenswerte des Schuldners mit so genannten Fortführungswerten zu bewerten waren und nicht mit den Werten bei einer kurzfristigen Zerschlagung.

 

Rz. 29

Um die Angelegenheit noch etwas zu verkomplizieren hatte zwischen dem 18.10.2008 und dem 31.10.2008 § 19 Abs. 2 folgende Formulierung:

 

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach Umständen überwiegend wahrscheinlich.[18]

 

Rz. 30

Letztmalig wurde die Fassung des Abs. 2 zum 1.11.2008 wie folgt geändert:

 

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach S. 1 zu berücksichtigen.

 

Rz. 31

Die Anpassung der Überschuldungsprüfung und des Überschuldungsbegriffs basierte auf der im Herbst 2008 weltweit eingetretenen Kapitalmarktkrise. Diese Gesetzesänderung zielte darauf ab, an sich lebensfähige Unternehmen davon abzuhalten, aufgrund einer kurzfristig eingetretenen rechnerischen Unterdeckung einen Insolvenzantrag stellen zu müssen. Ursprünglich war die vorstehende Gesetzesänderung bis zum 31.12.2010 befristet. Am 24.9.2009 wurde die Befristung durch das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen bis zum 31.12.2013 verlängert. Durch eine weitere Gesetzesänderung vom 5.12.2012 fand die Rückkehr zum modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff wieder statt.

 

Rz. 32

Zur gutachterlichen Feststellung der Überschuldung ist bei dem modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff zuerst ein Stichtag festzulegen. Die Überschuldung muss nämlich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Verfahrenseröffnung gegeben sein. Danach ist dann zu prüfen, ob eine rechnerische Überschuldung und eine Fortführungsprognose gegeben sind. Die beiden Prüfungselemente stehen gleichwertig sich gegenüber. Ist die rechnerische Überschuldung oder die Fortführungsprognose nicht gegeben, kann keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegen.

 

Rz. 33

Erfahrungsgemäß gehen abe...

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