Rz. 50

Für den Berater es ist unumgänglich zu wissen, welche Vermögenswerte der so genannten Insolvenzmasse zuzuordnen sind. Erst durch dieses Verständnis wird gewährleistet, dass im Rahmen der Betreuung eines Insolvenzschuldners in einem eröffneten Verfahren rechtlich korrekte Ausführungen gemacht werden können. Ein solches Verständnis ist nicht überwiegend gegeben.

 

Rz. 51

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners erfasst, welches zurzeit der Eröffnung des Verfahrens ihm gehört und das er während der Laufzeit des Verfahrens erlangt.[36] Danach bestimmt sich der Gegenstand der Insolvenzmasse.

1. Definition der Insolvenzmasse

 

Rz. 52

Das gesamte im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhandene Vermögen (Masse) wird der Verwaltung des Insolvenzverwalters unterstellt. Dieses wird als so genannte Ist-Masse bezeichnet. Da an dieser Vermögensmasse unterschiedliche Rechte begründet sein können, kann die so genannte Ist-Masse nicht identisch sein mit der so genannten Soll-Masse sein. Daher hat der Insolvenzverwalter massebereinigende Maßnahmen vorzunehmen. Dies geschieht durch die so genannte Aussonderung. Dabei werden nicht der Insolvenzmasse gebührende Vermögenswerte und Rechte aus dieser freigegeben. Eine solche Handlung des Insolvenzverwalters wird auch mit unechter Freigabe bezeichnet.

 

Rz. 53

Daher ist begrifflich unter der sogenannten Soll-Masse nur die Vermögensmasse zu verstehen, die dem Insolvenzbeschlag nach § 35 InsO unterliegt und damit den Gläubigern für ihre Forderungen haftet. Umfasst werden nur solche Vermögensgegenstände, die der Zwangsvollstreckung unterliegen und damit pfändbar sind.[37] Unpfändbare Gegenstände und Rechte werden von Anfang an nicht vom Massebeschlag umfasst. Insoweit stellt auch § 36 Abs. 1 InsO klar, welche Gegenstände zur Insolvenzmasse gehören. So werden insbesondere unpfändbare Gegenstände nach § 811 Nr. 4 und 9 ZPO genannt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO).

 

Rz. 54

Aus diesem Grunde muss bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens zwischen bestehenden Aussonderungsrechten und Absonderungsrechten unterschieden werden.

Ohne Kenntnis dieser Spezialdefinitionen und der damit zusammenhängenden Rechte ist eine ordnungsgemäße Bearbeitung von familienrechtlichen Fällen mit Insolvenzberührung nicht möglich.

[37] FachanwKomm/Ahrens, § 35 Rn 16 ff.

2. Definition Aussonderung(-recht)

 

Rz. 55

Unter Aussonderung ist zu verstehen, dass ein Dritter oder ein Insolvenzgläubiger die Massefremdheit eines Rechtes geltend macht. Bei einer Aussonderung unterliegt von Anfang an das Recht/der Gegenstand nicht dem Insolvenzbeschlag und muss daher vom Insolvenzverwalter aus der Masse freigegeben werden. Werden durch den Insolvenzverwalter bei der Inbesitznahme nach § 148 InsO Gegenstände in Beschlag genommen, die einem Dritten gehören, so kann sich der Dritte/Insolvenzgläubiger mit seinem ihm gebührenden Recht auf Aussonderung gegen die Verwertung des Gegenstandes wehren.

 

Rz. 56

Aussonderungsrechte nach § 47 InsO unterliegen auch nicht der Dispositionsfreiheit der Parteien. Der Insolvenzverwalter kann daher, außer in gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen, nicht ein nicht bestehendes Aussonderungsrecht anerkennen. Damit wird den Parteien genommen, ein nicht existierendes Aussonderungsrecht auch durch eine vertragliche Bestimmung im Vorfeld zu vereinbaren.

 

Rz. 57

Gegenstand des Aussonderungsrechtes können bewegliche und unbewegliche Gegenstände, persönliche und dingliche Rechte, der Besitz und Forderungen sein.[38] Der Aussonderung können nur individuell bestimmbare körperliche Gegenstände oder Rechte unterliegen. Bargeldbeträge unterliegen daher nicht der Aussonderung.[39] Insoweit erklärt sich auch, warum Geldbeträge aus Barkassen einer Aussonderung nicht unterliegen können.[40] Dieses Missverständnis herrscht bei vielen Kollegen vor und führt des Öfteren zu problematischen Situationen, insbesondere dann, wenn ein Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Barkasse nicht dem Verwalter herausgeben möchte, mit der Begründung, die dort verwahrten Gelder würden Dritten gehören. Vielfach treten in der Praxis solche Situationen auf, wenn der Insolvenzverwalter Zugriff auf die so genannte gut und prall gefüllte Haushaltskasse des Insolvenzschuldners nehmen möchte.

 

Rz. 58

Da sich die Aussonderung generell auf bestimmbare oder individuell bestimmbare Gegenstände und Rechte bezieht, gilt auch der sachenrechtliche Grundsatz der Spezialität und der Bestimmbarkeit.[41]

[38] FachanwKomm/Homann, § 47 Rn 5.
[39] Zur Aussonderung bei einem Treuhandkonto FachanwKomm/Homann, § 47 Rn 14.
[40] BGH BGHZ 58, 257.
[41] FachanwKomm/Homann, § 47 Rn 11.

3. Inhaber des Aussonderungsrechtes

 

Rz. 59

Inhaber des Aussonderungsrechtes kann nur derjenige sein, der geltend machen kann, dass sein Gegenstand/Recht nicht dem Massebeschlag unterfällt. Die Definition des Rechtes ergibt sich daher aus § 47 InsO.

"Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechtes geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht der Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch ...

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