1. Grundlegende Regelungen

 

Rz. 115

Die Abwicklung von Vertragsverhältnissen innerhalb eines Insolvenzverfahrens ist in den §§ 103112 und §§ 115117 InsO festgelegt. Von diesen Regelungen werden Schuldverhältnisse umfasst, die der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung geschlossen hat. Zu den wichtigsten Vertragsverhältnissen, die in der Schnittstelle zum Insolvenzrecht und Familienrecht stehen, sollen insbesondere Kaufverträge, der Kauf unter Eigentumsvorbehalt nach § 107 InsO, der Darlehensvertrag § 108 Abs. 2 InsO, Miet- und Pachtverhältnisse §§ 108112 InsO, das Auftragsverhältnis § 115 InsO sowie Dienst- und Arbeitsverhältnisse §§ 113, 114, 120128 InsO genannt werden.

 

Rz. 116

Sinn und Zweck der Regelung ist, den Vertragsschutz innerhalb des Insolvenzverfahrens weitgehend zu gewähren. Der Vertragspartner soll zur Erbringung seiner ausstehenden Leistung verpflichtet sein, wenn der Insolvenzverwalter ihm die vertraglich geschuldete Leistung selbst erbringt. Umgekehrt bedeutet dies für das Insolvenzverfahren, dass der Insolvenzverwalter vorteilhafte Verträge für die Masse abwickeln kann und einen möglichen wirtschaftlichen Vorteil der Masse dann zuführt.

 

Rz. 117

Zur Anwendung der oben genannten Vorschriften ist es unabdingbar, dass es sich um zweiseitig nicht erfüllte Verträge handelt.[70]

 

Rz. 118

Sämtlichen vorgenannten Normen liegt zugrunde, dass es sich um einen vollwertigen zweiseitigen Vertrag im Sinne des §§ 320 BGB handeln muss. Die Verträge müssen in einem Synallagma stehen. § 103 InsO regelt nur die Fälle, in denen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht eine beiderseitige vollständige Erfüllung gegeben ist.

 

Rz. 119

Zum Verständnis dieser grundlegenden Regelung ist es aber auch erforderlich, festzustellen, welche Auswirkungen die Verfahrenseröffnung auf die jeweiligen Vertragsverhältnisse des Schuldners hat. Das Vertragsverhältnis kann erlöschen. Das Vertragsverhältnis besteht weiterhin fort oder der Fortbestand des Vertragsverhältnisses ist von einer Erklärung des Insolvenzverwalters abhängig.[71]

 

Rz. 120

Geschäftsbesorgungsverträge und Aufträge erlöschen gemäß § 115 InsO. Unter dieser Konstellation fallen auch Mandatsverhältnisse zwischen Rechtsanwälten bzw. Steuerberatern mit dem Insolvenzschuldner, die das massebehaftete Vermögen betreffen. Mandatsverhältnisse die den höchstpersönlichen Bereich tangieren, werden hiervon nicht betroffen.

 

Rz. 121

Nach § 108 Abs. 1 InsO wird der Fortbestand der Miet- oder Pachtverhältnis über unbewegliche Gegenstände geregelt. Sonstige Vertragsverhältnisse, wie Kaufverträge sind vom Wahlrecht des Insolvenzverwalters abhängig.

 

Rz. 122

Zur Ausübung des Wahlrechtes ist der Insolvenzverwalter schriftsätzlich aufzufordern. Der Insolvenzverwalter hat das Wahlrecht persönlich auszuüben. § 103 InsO enthält keine Regelung darüber, innerhalb welchem zeitlichen Rahmen der Verwalter seine Erklärung gegenüber dem Gläubiger abzugeben hat. Um einen solchen Zustand der Rechtsunsicherheit für den Gläubiger zu beseitigen, kann dieser dem Verwalter nach § 103 Abs. 2 S. 2 InsO eine Frist zur Erklärung setzen. Danach hat der Insolvenzverwalter unverzüglich unter Beachtung der Frist seine Erklärung zu übermitteln. Unverzüglich in diesem Zusammenhang heißt ohne schuldhaftes Zögern im Sinne des § 121 BGB.[72] Wird keine entsprechende Erklärung des Verwalters abgegeben, so verliert dieser sein Wahlrecht nach § 103 Abs. 2 InsO. Der Insolvenzverwalter hat bei seiner Entscheidung zur Ausübung des Wahlrechtes die günstigste Möglichkeit zugunsten der Insolvenzmasse zu wählen. Bis zum Zeitpunkt der Erklärung des Verwalters befindet sich das Vertragsverhältnis in einem Schwebezustand.[73] Dieser kann nur durch die vorgenannte Aufforderung durch den Gläubiger zeitnah beseitigt werden. Dem Insolvenzverwalter ist grundsätzlich aber ein entsprechender Überlegens- und Bewertungszeitraum zuzubilligen. Zu kurze Fristsetzungen sind unwirksam.

 

Rz. 123

Wählt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung, so besteht der Vertrag im ursprünglichen Zustand. Eine Veränderung des Vertragsverhältnisses erfolgt nicht. Gläubiger und Verwalter haben den Vertrag in der Art und Weise zu erfüllen, wie dies bereits vereinbart worden ist.[74] Mit Forderungen aus dem Zeitpunkt vor Insolvenzeröffnung kann der Gläubiger aufgrund der Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht aufrechnen.

 

Rz. 124

Wählt der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung oder erklärt er sich nicht unverzüglich, so gilt der Vertrag als beendet. Es verbleibt bei der Rechtswirkung zur Verfahrenseröffnung, die durch die Verfahrenseröffnung bestimmt wird. Wechselseitige Ansprüche sind zwischen den Vertragsparteien nicht mehr durchsetzbar. Insoweit kommt der Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter nur eine deklaratorische Bedeutung zu.[75] Der Erfüllungsanspruch wandelt sich nunmehr in einen Anspruch wegen Nichterfüllung nach § 103 Abs. 2 S. 1 InsO um, der durch die darauf entfallende Insolvenzquote befriedigt wird.

 

Rz. 125

Mit der Nichterklärung durch den...

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