Rz. 36

Viele Pflichtteilsverzichte wurden ohne (konkrete) Gegenleistung erklärt. Problematisch kann dann eine spätere Angreifbarkeit der Vereinbarung sein. Verzichtende Kinder oder Ehegatten mögen sich unter Druck gesetzt empfinden. Kannten sie die Vermögensverhältnisse des Verzichtsempfängers nicht oder haben sich diese später geändert, können sich die Verzichtenden getäuscht fühlen.

Bei einem Irrtum kommen zunächst die allgemeinen Anfechtungsgründe gemäß §§ 119123 BGB in Betracht.[25]

 

Rz. 37

Zu einer weitergehenden Inhaltskontrolle liegt bislang noch recht wenig Rechtsprechung vor. Die möglichen Argumente erinnern aber an die zur Wirksamkeit von Eheverträgen entwickelten Grundsätze. Es erscheint nicht fernliegend, dass Verzichtende in Zukunft häufiger versuchen werden, spätestens nach dem Erbfall den Verzicht anzugreifen.[26]

Einige "Gegenmaßnahmen" zählt Krauß auf.[27] Schwierig zu entscheiden ist die Frage, ob eine Darstellung zu den Vermögensverhältnissen des Annehmenden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und/oder eine Erklärung zur zukünftigen Entwicklung aufgenommen werden sollte oder nicht. Wird dies in dem Vertrag thematisiert und stellen sich später Fehler heraus, gefährdet dies den Verzicht. Ohne eine Darstellung kann sich der Verzichtende später auf eine Unkenntnis und eine Täuschung wegen nicht in der Urkunde erwähnter Umstände berufen. Da er diese aber wohl darlegen und beweisen müsste, hat diese zweite Variante Vorteile. Wenn aber Angaben zu den Vermögensverhältnissen aufgenommen werden, müssen sie korrekt und ausführlich sein.

 

Rz. 38

Hat etwa ein Elternteil das verzichtende Kind schon lange Zeit unterstützt, ist es denkbar, die Unterstützung als Gegenleistung zu deklarieren:

 

Formulierungsbeispiel

III. Gegenleistung

Eine Gegenleistung soll für diese Pflichtteilsverzichte nicht geleistet werden. Vielmehr erfolgt dieser Verzicht als Gegenleistung für die dem Erschienenen zu 2) durch den Erschienenen zu 1) in den letzten Jahren erbrachten Zuwendungen. Diese Zuwendungen entsprechen in etwa dem Betrag, der heute als Pflichtteil aus dem Vermögen des Erschienenen zu 1) gezahlt werden würde.

Klarstellend wird von den Erschienenen erklärt, dass künftige Entwicklungen – insbesondere im Vermögen des Erschienenen zu 1) – keine Nach- oder Rückforderungsansprüche auslösen können.

Diese Erklärung ist aber nicht ganz unproblematisch. Ob die "Zuwendungen" wirklich als Gegenleistungen anzusehen sind, ist fraglich. Es kann sich auch um Unterhaltszahlungen gehandelt haben, die zwar freiwillig erfolgten, zu denen der Elternteil aber auch rechtlich verpflichtet gewesen sein kann. Waren die "Zuwendungen" damals Schenkungen, ist es dogmatisch problematisch, diesen Charakter im Nachhinein zu verändern: Die entsprechenden Willenserklärungen sind erfolgt und das Geschäft wurde vollzogen.

[25] Vgl. zur Frage des Wegfalles der Geschäftsgrundlage Urteil des BGH v, 4.11.1998 – IV ZR 327/97, MDR 1999, 363 m.w.N.; zudem: OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.6.2002 – 9 U 177/01, ZEV 2003, 107.
[26] Vgl. Krauß, Rn 3861–3864; Pentz, MDR 1999, 785–787; Bonefeld/Wachter/Kurze, § 19 Rn 66–77.
[27] Krauß, Rn 3863.

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