Rz. 72
Der Vermächtnisnehmer ist nach dem Wortlaut einer Anordnung – "erhält einen Anteil von 50 Prozent“ – nicht an den Lasten des Nachlasses beteiligt. Dies kann zur ungewollten Benachteiligung des Erben führen. Schwenck vertritt zwar die Auffassung, dass eine Nachrangigkeit von Vermächtnissen aus dem Gesetzeskontext zu entnehmen sei." Zum einen meint er damit aber wohl nur Erblasserschulden. Zum anderen sollte ein professionell gestaltetes Testament ein Bedürfnis zur Auslegung möglichst gar nicht aufkommen lassen. Es sind daher die Verbindlichkeiten zu erwähnen, die bei der Berechnung des Vermächtnisses vom Nachlass abzuziehen sind.
Als Nachlassverbindlichkeiten werden in § 1967 Abs. 2 BGB lediglich die Erblasserschulden und die Erbfallschulden genannt. Erblasserschulden sind die "von dem Erblasser herrührenden Schulden", etwa vererbliche Schulden. Erbfallschulden sind insbesondere Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Hinzu treten die Nachlasserbenschulden. Sie sind Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der Verwaltung des Nachlasses eingeht, etwa bei der Fortführung eines Handelsunternehmens.
Als Abzugsposten kommen regelmäßig die Erblasser- und Erbfallschulden in Betracht. Die Nachlasserbenschulden sind variabel, insbesondere vom Erben zu beeinflussen, und daher kein tauglicher Berechnungsposten.
Rz. 73
Bei den Erbfallschulden können Pflichtteilsansprüche Probleme bereiten: Sollen sie vor der Berechnung des Vermächtnisses abgezogen werden? Soll ein Abzug unabhängig von der Geltendmachung zulässig sein? Wie wird ein vom enterbten Ehegatten geforderter konkreter Zugewinnausgleich behandelt?
Eine durchdachte – hier nur sprachlich und im Aufbau abgewandelte – Lösung für ein Quotenvermächtnis am gesamten Nachlasswert unter Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen boten Tanck/Krug/Daragan:
Formulierungsbeispiel
Von dem Nachlasswert werden die Erblasserschulden und die Erbfallschulden abgezogen, einschließlich eines konkret geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruches.
Abzuziehen sind konkret geltend gemachte und ausgezahlte Pflichtteilsansprüche.
oder
Formulierungsbeispiel
Nicht abzuziehen sind konkret geltend gemachte Pflichtteilsansprüche. Der Vermächtnisnehmer ist aber an der Tragung der Pflichtteilslasten zu beteiligen.
Rz. 74
Es erscheint aber fraglich, ob die Vermächtnislösung zur Vermeidung einer Erbengemeinschaft überhaupt sinnvoll ist, wenn der Alleinerbe Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt wird. Die Erfüllung und Abwehr der Pflichtteilsforderungen kann erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten. Die Belastung des Alleinerben ist hoch. Es sollte überlegt werden, ob in diesen Fällen nicht doch die Personenmehrheit als Erbengemeinschaft belassen und durch einen Testamentsvollstrecker entlastet wird.
Bei einem quotalen Geldvermächtnis wird, wenn Pflichtteilsforderungen nicht zu befürchten sind, die Ergänzung um die Worte "nach Abzug der Erlasserschulden und der Erbfallschulden" ausreichen.
Muster 10.11: Quotales Geldvermächtnis
Muster 10.11: Quotales Geldvermächtnis
I. Im Wege des Vermächtnisses erhält Herr/Frau _________________________ (Vorname Nachname), geborene/r _________________________ (Geburtsname), geboren am _________________________ (Datum), zurzeit wohnhaft _________________________ (Wohnadresse), von meinem _________________________ Geldvermögen nach Abzug der Erlasserschulden und der Erbfallschulden einen Anteil von _________________________ Prozent _________________________.
Für den Mandanten kann eine Erläuterung hilfreich sein.
Muster 10.12: Erläuterung für den Mandanten zu den Verbindlichkeiten beim quotalen Geldvermächtnis
Muster 10.12: Erläuterung für den Mandanten zu den Verbindlichkeiten beim quotalen Geldvermächtnis
Die Vermächtnisnehmer sollen Teile des Geldvermögens erhalten. Zunächst sind aber die vorhandenen Verbindlichkeiten zu begleichen (offene Rechnungen, Beerdigungskosten, Kosten der Trauerfeier etc.).
Rz. 75
§§ 2165 ff. BGB enthalten Auslegungsregeln für belastete Immobilien. Klarstellungen sind aber dringend anzuraten, da sonst immer mit einem behaupteten, entgegenstehenden Willen des Erblassers argumentiert werden kann.
Sollen die Vermächtnisnehmer – wie im vorliegenden Fall – weitgehend quotal an dem gesamten Nachlass beteiligt werden, steht das Immobilien- neben dem Geldvermächtnis. Daher wurde die Verpflichtung zur Beteiligung an Verbindlichkeiten dort schon festgehalten. Es könnte daher an dieser Stelle noch eine Klarstellung aufgenommen werden.
Formulierungsbeispiel: Klarstellung für Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten, die beim Erbfall durch an den Immobilien eingetragene Grundpfandrechte abgesichert sind, sind als Erblasserschulden von dem Vermächtnisnehmer mitzutragen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufwendungen für die Immobilie getätigt wurden.