Rz. 124

Ist eine Dauertestamentsvollstreckung gewünscht, muss diese mit einem Auseinandersetzungsverbot und einem Nutzungsrecht für den überlebenden Ehegatten verbunden werden. Die Anordnung ist komplizierter und streitanfälliger. Es ist Reimanns[162] Vorschlag zu folgen und eine Nebentestamentsvollstreckung gemäß § 2224 BGB oder Bonefeld[163] folgend eine Mittestamentsvollstreckung gemäß § 2199 BGB anzuordnen. Zu dieser Gestaltung ist hier noch keine Rechtsprechung bekannt, so dass der Mandant auf ein gewisses Risiko hingewiesen werden sollte.

Volljährige Kinder werden sich jedenfalls genau überlegen, ob sie diese unter Umständen langfristige Beschränkung akzeptieren. § 2306 BGB sollte unbedingt beachtet werden. Die gesamte Konstruktion kann zusammenstürzen, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe gemäß § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB ausschlägt.[164] Der überlebende Ehegatte ist dann Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt.

Zu beachten sind zudem die Auswirkungen auf eine spätere Vertretung des überlebenden Ehegatten im Vorsorgefall. Es erscheint nicht möglich, dass eines der unter Testamentsvollstreckung des überlebenden Ehegatten stehenden Kinder aufgrund der Interessenkollision noch umfassend zum Betreuer des überlebenden Ehegatten bestellt werden kann. Eine Bevollmächtigung des Kindes müsste die Beschränkungen des § 181 BGB ausschließen und ist daher aufgrund der Missbrauchsgefahr nicht ratsam. Zudem ist dann eine Kontrollbetreuung möglich.[165]

Es können Alternativgestaltungen gewählt werden. Bei mittleren Vermögen ist regelmäßig der Erhalt der Wohnimmobilie das Bedürfnis der Mandanten. Es kann dann etwa ein auf die selbst genutzte Immobilie beschränktes Vorausvermächtnis oder Vorvermächtnis oder ein Vermächtnis bei gleichzeitiger Einsetzung nur der Abkömmlinge zu Erben angeordnet werden.

[162] Reimann, MittBayNot 1994, 55.
[163] Bonefeld, ZErb 2007, 2, 3 f.
[164] Damrau/Tanck/Riedel, § 2306 Rn 25; MüKo/Lange, § 2306 Rn 17–25.
[165] Vgl. Kurze, NJW 2007, 2220, 2223.

a) Nutzungsrecht

 

Rz. 125

Soll der Ehegatte durch die Regelung möglichst gut versorgt werden, hilft ihm ein Nutzungsrecht. Dies kann ein Nießbrauch an den Erbteilen sein. Etwaige steuerliche Folgen sind zu beachten.

 

Formulierungsbeispiel: Nießbrauchsvorausvermächtnis

Dem überlebenden Ehegatten wird der lebenslange, unentgeltliche Nießbrauch an den Erbteilen unserer Abkömmlinge als Vermächtnis eingeräumt.

Damit der überlebende Ehegatte aber flexibel verwalten kann, sollte ihm die Möglichkeit gegeben werden, Teile des Nachlasses freizugeben bzw. freigeben zu können.[166]

 

Formulierungsbeispiel

Der überlebende Ehegatte kann einzelne Nachlassgegenstände aus seiner Verwaltung freigeben.

[166] Bengel/Reimann/Klumpp, Kap. 6 Rn 160 f.; mit detaillierten Vorgaben unter Hinnahme von Unsicherheiten durch auslegungsfähige Begriffe: Kirchner, MittBayNot 1997, 207 unter Punkt d).

b) Auseinandersetzungsausschluss

 

Rz. 126

Die Auseinandersetzung muss zum Schutz des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen werden. Eine hilfreich flexible Formulierung für den Auseinandersetzungsausschluss schlug Tanck in Tanck/Krug vor.[167]

 

Formulierungsbeispiel: Auseinandersetzungsausschluss

Solange die Testamentsvollstreckung und Nießbrauch bestehen, ist die Auseinandersetzung des Nachlasses nur mit Zustimmung des überlebenden Ehegatten zulässig. Der überlebende Ehegatte kann die Nachlassauseinandersetzung – als Abwicklungstestamentsvollstrecker – jederzeit vornehmen.

[167] Tanck/Krug/Tanck, § 12 Rn 33–44.

c) Testamentsvollstreckung

 

Rz. 127

Für die minderjährigen Kinder kann eine aufschiebend bedingte oder eine gestaffelte Testamentsvollstreckung angeordnet werden.

Kirchner hat ein Modell entwickelt, nach dem Vormundschaft und Testamentsvollstreckung "hintereinander geschaltet" werden.[168] Für die minderjährigen Kinder beginnt die Testamentsvollstreckung durch den überlebenden Elternteil aufschiebend bedingt erst mit dem Ende der Vormundschaft des Elternteils, also regelmäßig mit Eintritt in die Volljährigkeit. Kirchner problematisiert die Frage, ob sich die Testamentsvollstreckung bei ihrem Eintritt auch auf die Nachlasssurrogate bezieht und bejaht sie zutreffend.[169]

Der überlebende Ehegatte kann zwar wohl weitgehend unbeschränkt für den miterbenden Minderjährigen handeln.[170] Einige Detailfragen sind aber umstritten.[171] Ein Grundproblem ist zudem offensichtlich: Zunächst soll der überlebende Ehegatte als Vormund weitgehend unbehelligt den Nachlass für die Kinder verwaltet. Danach wird er Testamentsvollstrecker und übernimmt die Wahrung der Rechte auch für die eigenen Erbteile. Eine Kontrolle des überlebenden Elternteils ist praktisch nicht gegeben. Den Kindern stehen später eventuell Ersatzansprüche zu, wenn über Nachlassvermögen vom überlebenden Elternteil unzulässig verfügt wurde. Sind die Kinder zudem Schlusserben, erlöschen diese Ersatzansprüche aber schon durch Konfusion. Ob sonst "verschwundenes" Vermögen wiederzufinden und erfolgreich von Dritten zurückzufordern ist, bleibt fraglich.

Werden diese Bedenken zurückgestellt, kann die Testamentsvollstreckung angeordnet werden...

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