I. Einleitung
Rz. 90
In einer letztwilligen Verfügung kann der Erblasser auf verschiedene Arten auf die Verteilung des Nachlasses Einfluss nehmen. Ziel des Mandanten kann es zunächst sein, dass einzelne persönliche Gegenstände an bestimmte Erben übergehen, also etwa der Schmuck an die Tochter, der Siegelring an den ältesten Sohn oder der Weihnachtsbaumschmuck an den Abkömmling mit den meisten Kindern. Durch gezielte Zuordnungen werden insbesondere in diesem sensiblen Bereich unwirtschaftliche und persönlich verletzende Konflikte vermieden. Der Mandant kann auch beabsichtigen, einen Abkömmling wirtschaftlich besser zu stellen oder ihn durch die Zuwendung einer Immobilie in dem elementaren Bedürfnis des Wohnens abzusichern, etwa weil er besonders bedürftig oder ein anderer es gerade nicht ist.
Befinden sich Immobilien im Nachlass, kann durch eine entsprechende Anordnung zur Verteilung vermieden werden, dass die Immobilien zur Teilung versteigert werden müssen (§ 180 ZVG). Ein solches Vorhaben funktioniert aber nicht immer und sollte auch von dem beratenden Rechtsanwalt oder Notar gegebenenfalls überprüft werden. Mit der selbst bewohnten, mitunter selbst erbauten Familienimmobilie sind meist viele Emotionen verbunden. Nach dem Willen der Eltern soll sie dann oft am besten "nie mehr" aus dem Familienbesitz ausscheiden. Sollen außerdem die Abkömmlinge aber alle gleich behandelt werden, ergibt sich ein Problem, wenn außer der Immobilie fast kein Vermögen vorhanden oder die Immobilie sogar noch belastet ist. Der Abkömmling, der die Immobilie erhalten soll, wird oft seine Geschwister gar nicht auszahlen können. Es sollte in solchen Fällen auch mit Blick auf die tatsächlichen Möglichkeiten der Abkömmlinge beraten werde. Flexible Anordnungen, wie ein Übernahmerecht oder eine reine Teilungsanordnung können hilfreicher sein als paternalistische Verfügungen. Nicht selten ist die Nachlassberatung auch ein Prozess, in dem die Mandanten von idealisierten, unrealistischen Plänen bei entsprechender Beratung von selbst abkommen. So benötigen die meisten erbenden Kinder beim Tod der Eltern gar keine Immobilie mehr zu Wohnzwecken, da sie ihre eigene Existenz schon aufgebaut haben: Mit einer eigenen Immobilie und an einem ganz anderen Ort als den des Elternhauses.
Ohne Zweifel ist der Wille des Mandanten immer entscheidend. Eine gute Beratung bei der Nachlassgestaltung zeichnet sich aber dadurch aus, dass einmal artikulierte Wünsche nicht gedankenlos in eine juristische Form gebracht werden, sondern der wahre Wille des Mandanten durch Aufklärung über die Folgen der Gestaltung nach den zunächst artikulierten Wünschen und Prüfung der Wünsche herausgearbeitet und erst dann das passende Gestaltungsmittel gewählt wird.
Rz. 91
Ein zentrales Element ist dabei die Festlegung, wie viel Freiraum die Erben erhalten sollen. Das Ergebnis kann von unverbindlichen über verbindliche Vorgaben, über die sich die Erben aber gemeinsam hinwegsetzen können, bis zu verbindlichen Vorgaben, deren Umsetzung durch Überwachungs- und Strafklauseln abgesichert wird, reichen. Die rechtliche Formulierung sollte klar und eindeutig sein, was leider gerade in diesem Bereich nicht selbstverständlich ist.
Bei allen Alternativen ist immer an die Anordnung einer Testamentsvollstreckung zu denken. Gerade bei der Umsetzung von Anordnungen zur Auseinandersetzung ist eine neutrale, professionelle Autorität hilfreich.
Im Folgenden werden vier Anordnungen für die Auseinandersetzung zunächst gegeneinander abgegrenzt und dann mit Formulierungsbeispielen dargestellt.
II. Abgrenzung
Rz. 92
Soll ein Nachlasswert (Schmuck, eine besondere Geldzuwendung, eine Immobilie) in einer bestimmten Art und Weise zugeordnet werden, ist dem Mandanten die zentrale Frage zu stellen: Soll einem Miterben durch die Anordnung ein wirtschaftlicher Vorteil gewährt werden?
Wird diese Frage ohne Einschränkungen bejaht, wird ein Vorausvermächtnis das angebrachte Gestaltungsmittel sein. Der mit einem Vorausvermächtnis bedachte Miterbe erhält die Zuwendung "vorab", ohne dass sie auf seinen Erbanteil angerechnet wird.
Verneint der Mandant die Frage, kommt eine Teilungsanordnung in Betracht. Der Miterbe muss sich die Zuwendung voll auf seinen Erbteil anrechnen lassen. Besteht ein an vier Miterben zu verteilender Nachlass beispielsweise aus einem Bankvermögen von 950.000 EUR und einer Immobilie mit einem Wert von 250.000 EUR, erhält der Miterbe, der nach der Teilungsanordnung die Immobilie übertragen bekommt, vom Bankvermögen nur noch 50.000 EUR ([950.000 EUR + 250.000 EUR] / 4 – 250.000 EUR).
Problematisch ist, wenn ein Miterbe durch die Teilungsanordnung einen Vermögensvorteil erhält, der über seinen Erbteil hinausgeht. Besteht etwa in Abwandlung des obigen Beispiels der an vier Miterben zu verteilende Nachlass aus einem Bankvermögen von lediglich 550.000 EUR und einer Immobilie mit einem Wert von 250.000 EUR, würde der Miterbe, der nach der Teilungsanordnung die Immobilie übertragen bekommt, 50.000 EUR mehr erhalten, als seiner Quote ent...