I. Einleitung
Rz. 102
Streitigkeiten unter Miterben können erhebliche Kosten verursachen. Sie können zu persönlichen, innerfamiliären Zerwürfnissen zwischen den Miterben führen, die mitunter auf lange Zeit nicht mehr zu befrieden sind. Die Gründe für die Konflikte mögen dabei vielfältig sein, von persönlichen Animositäten über unterschiedliche wirtschaftliche Interessen bis hin zu fehlender Sachkompetenz der Miterben.
Der gestaltende Rechtsanwalt und Notar sollten darauf hinwirken, dass Streitpotentiale zumindest bei gewillkürten Erbfolgen, die auf professioneller Beratung beruhen, niedrig gehalten werden. Sowohl die Verwaltung als auch die Auseinandersetzung des Nachlasses können Ausgangspunkte für Konflikte sein. Zu den Folgen einer unzureichenden Gestaltung vgl. das Kapitel "Testamentsvollstreckung" (siehe § 14). Ein Weg zur Streitvermeidung ist es, diese Angelegenheiten den Erben "aus der Hand zu nehmen".
In der Nachlassgestaltung ist bei mehreren Erben die Anordnung einer Testamentsvollstreckung oft der "Königsweg". Die Vorteile eines unabhängigen und fachkundigen Testamentsvollstreckers werden in der erbrechtlichen Literatur durchgängig betont.
Als Nachteile werden von Mandanten mitunter eine Bevormundung der Erben und zusätzliche Kosten empfunden. Sie sind wegen der Gefahr des Streits unter den Miterben mit den daraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteilen für den Nachlass und das Vermögen der Erben sowie mit den eventuellen sozialen Zerwürfnissen abzuwägen.
Grundsätzlich kommt eine Testamentsvollstreckung bei jeder Gestaltung in Betracht. Bei kleinen oder gar überschuldeten Nachlässen besteht jedoch die Gefahr, dass der Testamentsvollstrecker das Amt nicht annimmt. Selten wird ein Testamentsvollstrecker rein altruistisch tätig. Es besteht dann die Möglichkeit, einen der Erben zum Testamentsvollstrecker zu benennen. Die Miterbentestamentsvollstreckung kann auch eingesetzt werden, um einen Erben besonders hervorzuheben. Oft soll dies der überlebende Ehegatte sein.
Der gestaltenden Rechtsberater sollte, wenn eine Erbengemeinschaft nicht vermieden werden kann, eine Testamentsvollstreckung geradezu "pawlovsch" vorschlagen.
Rz. 103
Formulierungsbeispiel: Vorschlag einer Testamentsvollstreckung an den Mandanten
Sie möchten mehrere Personen als Erben bedenken. Diese Miterben werden später eine so genannte "Erbengemeinschaft" bilden.
Die Erben folgen Ihnen insgesamt als Erbengemeinschaft nach. Dies bedeutet, dass den Miterben später sofort alles gehört, was bis dahin Ihnen gehört hatte.
Die Miterben verfügen über alles gemeinschaftlich. Daraus ergeben sich regelmäßig Probleme. Fast alles dürfen die Miterben nur gemeinsam tun, eine Mehrheit reicht meist nicht aus. Die Miterben müssen zusammen Mietverträge kündigen, mit den Banken und Versicherungen verhandeln. Außerdem müssen sie sich über die Verteilung des Nachlasses einigen.
Die Verwaltung des Nachlasses wird somit sehr schwerfällig. Auch die Verteilung ist oft zeit- und nervenraubend. Es genügt schon, wenn nur ein Miterbe sich "querstellt". Er kann die Erbengemeinschaft auf lange Zeit blockieren. Nicht selten sind dabei die Ehegatten der Miterben treibende Kräfte. Schließlich werden nach einem Erbfall oft vorher unterdrückte Konflikte ausgetragen. Lebzeitige Zuwendungen werden gegeneinander aufgerechnet, wobei die komplizierten gesetzlichen Regelungen zum Entstehen von Streitigkeiten beitragen.
Zur Lösung dieser Probleme ist es sehr empfehlenswert, einen Testamentsvollstrecker einzusetzen. Der Testamentsvollstrecker ist Ihnen und Ihrer letztwilligen Verfügung verpflichtet. Er nimmt nach dem Erbfall den Nachlass in Besitz und sichert ihn. Der Testamentsvollstrecker fertigt eine genaue Aufstellung vom Nachlass an, damit alles nachprüfbar und nachvollziehbar ist. Er verwaltet den Nachlass, bis alle Verbindlichkeiten und anderen Fragen geklärt sind. Er ist für die Zahlung der Erbschaftsteuer verantwortlich. Schließlich ist es der Testamentsvollstrecker, der Vermächtnisse erfüllt und den Erben deren Anteile auszahlt.
Durch den Testamentsvollstrecker werden viele Konflikte unter den Erben vermieden und die Erbengemeinschaft bleibt handlungsfähig. Zudem wird das persönliche Verhältnis der Erben untereinander nicht belastet. Schließlich können Sie davon ausgehen, dass Ihr letzter Wille wirklich geachtet wird. Ohne einen Testamentsvollstrecker könnten die Begünstigten den Nachlass unter sich ohne Zustimmung eines Dritten abweichend von Ihrem Willen verteilen.
Ich schlage Ihnen daher vor, auch in Ihrer letztwilligen Verfügung eine Testamentsvollstreckung anzuordnen.
Im Folgenden wird zunächst kurz grundsätzlich auf das Instrument der Testamentsvollstreckung eingegangen, um dann einen Vorschlag für eine allgemeine Anordnungsklausel zu machen und zu erläutern und schließlich auf den speziellen Fall der Testamentsvollstreckung durch einen Miterben einzugehen.