A. Einleitung
I. Allgemeines
Rz. 1
Werden erbrechtlich gestaltende Praktiker gefragt, wie am besten mehrere Personen in einer letztwilligen Verfügung bedacht werden sollen, kommen regelmäßig zwei Antworten. Die häufigste: "Vermeiden Sie eine Erbengemeinschaft." Etwas abgeschlagen auf dem zweiten Platz folgt der Vorschlag, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen.
Die rechtlichen und praktischen Probleme der Erbengemeinschaft – sei es nun bei der Ausgleichung, der Verwaltung oder der Auseinandersetzung – scheinen vielfach die Vermeidung als den sichersten Weg erscheinen zu lassen. Aber hydragleich ergeben sich beim Abschlagen von Problemen gleich wieder neue: Wie gestalte ich eine solche Vermeidung? Gebe ich nicht etwa dem hervorgehobenen Bedachten eher Steine als Brot, wenn ich ihn mit den Pflichten des Alleinerben belaste und den Vermächtnisnehmern die komfortable Position der Anspruchsteller zuweise?
Auch die Vermeidung einer Erbengemeinschaft muss daher genau und abgewogen gestaltet werden. Als zusätzliche oder weitgehend ersetzende Gestaltungsmittel kommen insbesondere lebzeitige Verfügungen, Lebensversicherungsverträge und Gesellschaftsgründungen in Betracht. Unter Einbeziehung der Erben können auch Stiftungen ein modernes und langlebiges Instrument zur Verwirklichung des Willens des zukünftigen Erblassers sein.
Rz. 2
Oft wünscht der Mandant aber doch eine Erbengemeinschaft. Meist soll nicht ein zu Bedenkender bevorzugt bzw. zurückgesetzt werden. Insbesondere möchten Eltern ihre Kinder trotz deren Unterschiedlichkeit grundsätzlich gleich behandeln. Aufgabe des beratenden Rechtsanwalts oder Notars ist dann die Fertigung eines möglichst konfliktvermeidenden Regelungswerkes. Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers ist dabei sicher ein erster, wesentlicher Schritt. Ohne das passende "Handwerkszeug" und umsetzbare Vorgaben – "Baupläne" – durch den Erblasser, wird aber auch ein Testamentsvollstrecker an seiner Aufgabe scheitern oder an ihr zumindest schwer zu tragen haben.
Rz. 3
Zudem werden neben den Problemen bei einer Erbengemeinschaft meist auch zwei andere Gegebenheiten bei der Gestaltung wesentlichen Einfluss haben: das Pflichtteilsrecht und das Steuerrecht. Sie werden hier nicht ausgeklammert, aber auch nicht im Fokus der Betrachtung stehen. Insbesondere für steuerrechtliche Fragen sollte auf die dafür einschlägige Literatur und im Einzelfall die Kompetenz eines Steuerberaters zurückgegriffen werden.
Rz. 4
Im Folgenden werden also allgemeine Anregungen und konkrete Vorschläge zusammengefasst, wobei von der Warte des den zukünftigen Erblasser beratenden Rechtsanwalts oder Notars ausgegangen wird. Einen allgemeingültigen "Königsweg" gibt es nicht, so dass er auch hier nicht dargestellt werden kann. Jeder Fall ist anders. Daraus ergibt sich, dass Vorschläge nicht einfach unbesehen übernommen werden können, sie vielmehr anzupassen und zu kombinieren sind. Auch bei der Nachlassgestaltung muss das Rad nicht neu erfunden werden. Viele Ideen und Formulierungen wurden schon "erbrechtliches Allgemeingut". Dazu gibt es einige gute bis exzellente Werke zur Gestaltung letztwilliger Verfügungen. Die Besonderheit der Zusammenfassung hier ist der spezielle Blick auf eine Mehrzahl von zu bedenkenden Personen.
II. Informationen
Rz. 5
Die Grundlage jeder fachgerechten Nachlassgestaltung ist die Zusammenstellung der relevanten Informationen. Sie lassen sich in drei Bereiche aufteilen:
1. |
familiäre Situation |
2. |
wirtschaftliche Verhältnisse sowie |
3. |
bisherige Übertragungen, Vereinbarungen und letztwillige Verfügungen. |
Für eine Nachlassgestaltung, bei der mehrere Personen bedacht werden sollen, ist die Sachverhaltserforschung besonders wichtig, sind doch persönliche Verhältnisse etwa bei der Anordnung einer Testamentsvollstreckung (vgl. § 14) und wirtschaftliche mit Blick auf Ausgleichungsanordnungen (vgl. § 7) zu beachten.
1. Familiäre Verhältnisse
Rz. 6
Die familiären Verhältnisse zeigen den Rahmen auf, in dem eine Nachlassgestaltung erfolgen kann. Es werden Probleme (Pflichtteilsberechtigte) und Lösungsansätze (Minderung der Steuerlast durch Verteilung auf mehrere Personen/Generationen) offenbar. Der "vergessene" Pflichtteilsberechtigte oder die unbeachtete Unterhaltspflicht für einen früheren Ehegatten können das schönste Testament zur Makulatur werden lassen. Gerade im Regelfall des juristisch nicht vorgebildeten Mandanten ist genau und verständlich nachzufragen. Angesichts der t...