Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
a) (Bloß) gegenseitige Erbeinsetzung
Rz. 51
Was die gegenseitige Erbeinsetzung von Nichtehegatten in formwirksamen gemeinschaftlichen Testamenten angeht, besteht ebenfalls eine nicht unerhebliche Meinungsvielfalt. Das Kammergericht hat einem derartigen gemeinschaftlichen Testament in einem Beschl. v. 5.12.1968 die Umdeutung versagt. Wechselbezügliche Verfügungen könnten nicht aufrechterhalten werden. Ohne in eine eingehende Ermittlung des Erblasserwillens einzutreten, entnimmt das Kammergericht § 2270 Abs. 2 BGB einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei gegenseitiger Erbeinsetzung die Verfügung des einen Erblassers nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Dieser Erfahrungssatz sei durch die langjährige Beziehung und gemeinschaftlich erworbenes Vermögen der Lebensgefährten im konkreten Fall bestätigt worden.
Rz. 52
Das BayObLG ist von dieser Rechtsprechung in einem Beschl. v. 27.4.1993, der gleichlautende gemeinschaftliche Geschwistertestamente betraf, überzeugend abgewichen. Das BayObLG legt dar, dass die Errichtung formgültiger Verfügungen nahe legt, dass die Erblasser keine Bindungswirkungen (§ 2271 Abs. 1 und 2 BGB) herbeiführen wollen. Hinzu kam, dass sich die betagten Schwestern, die mangels näherer Verwandter im Verhältnis zueinander gesetzliche Erben waren, gegenseitig durch eine Nacherbschaft beschränkten.
Rz. 53
Nach überzeugender Literaturauffassung ist die gegenseitige Erbeinsetzung von Nichtehegatten praktisch stets als nicht wechselbezüglich anzusehen und einer Umdeutung in wirksame einzeltestamentarische Verfügungen zugänglich. Regelmäßig hätte jeder der Beteiligten seine Verfügung als einseitige getroffen, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass das angestrebte gemeinschaftliche Testament unwirksam war.
b) Schlusserbeneinsetzung nahestehender Personen
Rz. 54
Während bei gegenseitiger Erbeinsetzung durch (beiderseits) formwirksame gemeinschaftliche Testamente eine Umdeutung in einzeltestamentarische Verfügungen regelmäßig bejaht werden kann, stellt sich die Umdeutung deutlich schwieriger in den Fällen der Schlusserbeneinsetzung dar. Insbesondere dann, wenn die Erblasser sich gegenseitig bedenken und der Letztversterbende Verfügungen (u.a.) zugunsten von Personen trifft, die dem Erstversterbenden nahe stehen, stellt sich die Frage, ob der Erstversterbende den Letztversterbenden auch dann als unbeschränkten Alleinerben eingesetzt hätte, wenn er gewusst hätte, dass dieser die Schlusserbeneinsetzung zu seinen (des erstversterbenden Erblassers) Lebzeiten und auch noch danach und selbst nach Annahme der Erbschaft einseitig ändern kann. Häufig wird der Wille der Testatoren dahin gehen, dass ein Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zwischen der Erbeinsetzung des anderen Beteiligten und der Schlusserbeinsetzung der dem Erstversterbenden nahestehenden Personen besteht. Indes entscheidet jedoch wiederum vorrangig der Erblasserwillen und nicht die schematische Anwendung der in § 2270 Abs. 2 BGB enthaltenen Vermutungsregel über die Wechselbezüglichkeit und deren Umfang. Der Erblasser kann die Abhängigkeit seiner Verfügung von der des anderen auf einzelne Fälle der Nichtigkeit beschränken. Die Umdeutung in einseitige testamentarische Anordnungen unter Einsetzung des anderen Testators als Vorerben und des Letztbedachten als Nacherben kann zulässig sein und dürfte regelmäßig dem Willen der Beteiligten entsprechen. Die Nacherbfolge dürfte regelmäßig mit dem Tod des Vorerben eintreten.