Rz. 28

In nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebende Personen oder Verlobte können ein gemeinschaftliches Testament nicht errichten, da dieses kraft ausdrücklicher Anordnung Ehegatten und in eingetragener Lebensgemeinschaft lebenden Personen vorbehalten ist (§§ 2265 BGB, 10 Abs. 4 LPartG).[76] Eine analoge Anwendung der Vorschriften über das gemeinschaftliche Testament auf diesen Personenkreis scheidet m.E. ebenfalls aus.[77] Zwar mag man, soweit es um nichteheliche Lebensgemeinschaften geht, eine nachträgliche Gesetzeslücke erkennen, weil erst gegen Ende der siebziger Jahre das Auftreten dieser Lebensform, einhergehend mit weitgehender gesellschaftlicher Akzeptanz, zu einem sozialen Phänomen geworden ist, das der ältere Gesetzgeber nicht vorhersehen konnte.[78] Es fehlt jedoch die wertungsmäßige Vergleichbarkeit. Im Zuge der Beratungen des BGB einigte sich die II. Kommission, das gemeinschaftliche Testament auf Ehegatten zu beschränken und Verlobte von dieser Testierform auszuschließen, obwohl sie auch bei diesen in vielen Teilen Deutschlands verbreitet und in Bayern üblich war.[79] Begründet wurde dies mit dem Wesen der Ehe, insbesondere der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft.[80] Eine entsprechende Verpflichtung zwischen Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten besteht nicht, so dass für eine Analogie kein Raum ist.

 

Rz. 29

Da ein notarielles gemeinschaftliches Testament von Nichtehegatten in einen Erbvertrag umzudeuten und damit zu heilen ist (§ 2084 BGB),[81] konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf den Versuch des privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments.

[76] Einhellige Meinung; statt aller Grüneberg/Weidlich, § 2265 Rn 2; Grziwotz, ZEV 1999, 299; Soergel/Wolf, vor § 2265 Rn 12. Allerdings hat Wacke, FamRZ 2001, 457, entgegen der ganz h.M. die Auffassung vertreten, dass die anfängliche Nichtigkeit des gemeinschaftlichen Testaments von Verlobten mit deren Heirat geheilt werde.

Der Ausschluss Verlobter und nichtehelicher Lebensgefährten von der Testierform des gemeinschaftlichen Testaments ist mit dem Grundgesetz vereinbar; vgl. BVerfG v. 26.4.1989, 1 BvR 512/89, NJW 1989, 1986.

[77] Vgl. allgemein zur Analogiefindung im Zusammenhang mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und Vermögensausgleich (1989), S. 27 ff.; v. Proff, Die eheähnliche Gemeinschaft im Einkommensteuerrecht (2007), S. 31 ff.
[78] Vgl. BVerfG v. 3.4.1990, 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, 13; Staudinger/Raff, BGB, § 2265 Rn 1.
[79] Prot. V S. 7338 f. (Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich (1899), Bd. 5, S. 719).
[80] Denkschrift zum fünften Buche (1896), S. 281 (Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich (1899), Bd. 5, S. 871): "Erfahrungsmäßig sind gemeinschaftliche Testamente die Quelle häufiger Rechtsstreitigkeiten; ihre Zulassung ist daher nur insoweit gerechtfertigt, als sie durch ein unabweisbares Bedürfnis gefordert wird. Ein solches Bedürfnis besteht, wie namentlich die Entwicklung in den Gebieten des gemeinen Rechts zeigt, für Ehegatten. In der Tat entspricht es der deutschen Auffassung vom Wesen der Ehe, wenn die Ehegatten nicht nur während der Dauer derselben alle wichtigen Angelegenheiten derselben im beiderseitigen Einverständnis erledigen, sondern auch für den Todesfall ihre Verhältnisse durch gemeinschaftliche Verfügung regeln. Daher liegt kein Anlass vor, auch anderen Person die Möglichkeiten der Errichtung gemeinschaftlicher Testamente zu eröffnen; insbes. werden im Fall des Verlöbnisses die erbrechtlichen Verhältnisse der künftigen Ehegatten schon jetzt meist durch Ehe- und Erbvertrag geordnet." Die "Denkschrift" zum Bürgerlichen Gesetzbuch wurde 1896 im Reichs-Justizamt ausgearbeitet und den Mitgliedern des Justizausschusses im Entwurf zugeleitet; vgl. Schubert, Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB (1978) (Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs), 373.
[81] Vgl. Staudinger/Raff, Vorbem. zu §§ 2265 ff. Rn 52; Soergel/Wolf, § 2265 Rn 5; BayObLG v. 14.3.1919, OLGZ 40, 146 für eine von zwei Geschwistern errichtete notarielle "letztwillige Verfügung".

I. Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments

1. Objektive Theorie

 

Rz. 30

Das Reichsgericht war der Ansicht, das Wesen des gemeinschaftlichen Testaments bestünde darin, dass die letztwilligen Verfügungen mehrerer Personen in einer einzigen Urkunde errichtet werden.[82] "Es kommt auch nicht wesentlich auf den Inhalt der Verfügungen, auf die Einheitlichkeit oder Gemeinschaftlichkeit des Errichtungsaktes oder auf die Absicht der Verfügenden an."[83] Das Reichsgericht verlangte somit einen (einzigen) zusammenhängend geschriebenen Text (objektive Theorie).[84]

[82] RG v. 18.11.1909, Rep. IV 265/08, RGZ 72, 204; zuvor bereits beiläufig in einer Stempelsteuersache RG v. 14.1.1902, Rep. VII. 406/01, RGZ 50, 308, 309: "Das erklärt und rechtfertigt sich daraus, (…) dass zwei "Testamente", den Ausdruck im Sinne von letztwilliger Verfügung genommen, in einem "Testament", ...

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