Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
1. Objektive Theorie
Rz. 30
Das Reichsgericht war der Ansicht, das Wesen des gemeinschaftlichen Testaments bestünde darin, dass die letztwilligen Verfügungen mehrerer Personen in einer einzigen Urkunde errichtet werden. "Es kommt auch nicht wesentlich auf den Inhalt der Verfügungen, auf die Einheitlichkeit oder Gemeinschaftlichkeit des Errichtungsaktes oder auf die Absicht der Verfügenden an." Das Reichsgericht verlangte somit einen (einzigen) zusammenhängend geschriebenen Text (objektive Theorie).
2. Subjektive Theorie
Rz. 31
Dieser formalen, mit der Annahme eines gemeinschaftlichen Testaments sehr zurückhaltenden Sicht, stellte sich eine in der Rechtsprechung nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommende rein subjektive Theorie entgegen, die allein auf die gemeinschaftliche Willenserklärung der testierenden Ehegatten abstellt und damit vergleichsweise schnell zur Annahme gemeinschaftlichen Testierens gelangt. Danach ist eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Verfügung des anderen Ehegatten nicht erforderlich. Begründet wird dies mit der im Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31.7.1938 und den darin eingeführten Formerleichterungen zum Ausdruck kommenden Zielsetzung, übersteigerten Formalismus zu vermeiden, soweit eine zuverlässige Wiedergabe des Willens des Erblassers sichergestellt ist, sowie den Auslegungsregeln der §§ 2084, 133 BGB.
3. Kombination aus subjektiver Theorie und Andeutungstheorie (h.M.)
Rz. 32
Die objektive Theorie des Reichsgerichts wird heute m.E. zu Recht kritisiert, weil sie in der Gefahr steht, den Willen des Erblassers zu missachten. Die heute ganz h.M. folgt daher der subjektiven Theorie, kombiniert diese jedoch mit der Andeutungstheorie. Ehegatten können bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments die Formerleichterung des § 2267 BGB wählen, bei der in einer Urkunde einer der Eheleute das Testament eigenhändig verfasst und beide unterschreiben. Die heute ganz h.M. hält – abweichend von der objektiven Theorie des Reichsgerichts – ein gemeinschaftliches Testament jedoch auch in Form zweier separater Urkunden für möglich. In diesem Fall ist jedoch nach der Rechtsprechung nur dann von einem gemeinschaftlichen Testament – und nicht von zwei Einzeltestamenten – auszugehen, wenn sich der Wille der Ehegatten zum gemeinschaftlichen Testieren aus beiden Urkunden zumindest andeutungsweise ergibt, mag sich der volle Beweis auch erst durch Umstände außerhalb der Urkunde ergeben.
Rz. 33
Die herrschende mit der Andeutungstheorie kombinierte subjektive Theorie ist überzeugend und ihr gebührt m.E. aus praktischen Gründen der Vorzug vor einer rein subjektiven Theorie, die für den Willen zum gemeinschaftlichen Testieren keine Andeutung im Testament verlangt. Die h.M. ermöglicht eine rechtssichere Willensfeststellung und minimiert Manipulationsrisiken. Welchen praktischen Schwierigkeiten ein rein subjektives Verständnis ausgesetzt ist, wird an dem Sachverhalt deutlich, der dem Urteil des BGH vom 12.3.1953 zugrunde lag. Der Erblasser hatte durch privatschriftliches Testament seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. In einem späteren Testament vermachte er seiner Schwester sein in Deutschland belegenes Vermögen. Nach seinem Tod bezweifelte die Witwe des Erblassers die Gültigkeit des Widerrufstestaments. Ihre Erbeinsetzung durch die frühere Verfügung sei Teil eines gemeinschaftlichen Testaments. Die Witwe legte ein Schriftstück vor, mit dem sie am selben Tag ihren Mann auf einem separaten Schriftstück als Alleinerben eingesetzt habe. Nur auf dem Boden der Andeutungstheorie konnte der BGH dieses Vorbringen mühelos beiseiteschieben, denn die Verfügung des Erblassers ließ einen Willen zur gemeinschaftlichen Errichtung nicht einmal ansatzweise erkennen.
Rz. 34
Der Andeutungstheorie ist im Hinblick auf den Willen zum gemeinschaftlichen Testieren insbesondere dann genügt,...