Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
A. Allgemeines
Rz. 1
Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass eine Absicherung des überlebenden Lebensgefährten über den Tod des Erstversterbenden hinaus mangels gesetzlichen Erbrechts nur rechtsgeschäftlich erfolgen kann, sei es durch Verfügung von Todes wegen, sei es durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (z.B. Einräumung eines Wohnrechts, Vertrag zugunsten Dritter, insbesondere Benennung als Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung). Dabei steht das Ziel einer möglichst umfassenden Absicherung in Konflikt mit der Erbschaftsteuerbelastung, die den Partner angesichts eines niedrigen Freibetrags von 20.000 EUR unabgemildert und unausweichlich trifft. Ein weiterer, angesichts des fehlenden eigenen gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts empfindlicher Liquiditätsentzug kann sich beim bedachten Lebensgefährten durch die Belastung mit Pflichtteilsansprüchen ergeben, die mangels eigener Pflichtteilsberechtigung des Partners den halben Nachlasswert erreichen, wenn Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind. Unter erbschaftsteuerlichen und pflichtteilsrechtlichen Gesichtspunkten erscheint die Eheschließung daher als ein wichtiges Gestaltungsmittel. Ob die Adoption des Lebensgefährten eine Gestaltungsalternative ist, erscheint mir zweifelhaft (vgl. hierzu unten § 12 Rdn 9 ff.).
Rz. 2
Als Testierformen stehen die einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, § 1937 BGB) und der Erbvertrag (§ 1941 BGB) zur Verfügung. Der Erbvertrag kommt aber nicht in Betracht, wenn ausländisches Sachrecht zur Anwendung kommt, das ein inhaltliches Verbot des Erbvertrages enthält und nicht bloß als Formvorschrift zu qualifizieren ist.
B. Verfügung zugunsten des Lebensgefährten und § 138 BGB
Rz. 3
Die Berücksichtigung der Lebensgefährtin in einer Verfügung von Todes wegen kann in Ausnahmefällen wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein.
Eine langjährige Rechtsprechung des BGH war der Auffassung, dass die letztwillige Verfügung sittenwidrig ist, wenn der Erblasser eine Frau, zu der er außereheliche, insbesondere ehebrecherische, Beziehungen unterhalten hat, für sexuelle Dienste entlohnen will oder sie zu sexuellen Diensten bestimmen will ("Geliebtentestament"). Maßgebend war danach, dass der Entgeltcharakter einziger Grund für die Zuwendung war, was im Zweifel vermutet wurde. Selbst bei langjährigen Beziehungen – gleichgültig ob aus ihnen Kinder hervorgegangen waren oder nicht – kam der BGH zur (partiellen) Sittenwidrigkeit, obwohl er in derartigen Fällen die allein sexuelle Motivation und damit die Sittenwidrigkeit im Allgemeinen für fraglich hielt. Wegen der favor testamenti-Regel (§ 2085 BGB) war der BGH der Ansicht, dass die Sittenwidrigkeit die Zuwendung an die Lebensgefährtin nicht notwendig vollumfänglich erfasst. In einem Beschl. v. 31.3.1970 erhielt er die (Allein-) Erbeinsetzung der Lebensgefährtin dementsprechend als Miterbeinsetzung zu einer Quote von ¼ aufrecht.
Rz. 4
Die Problematik des Geliebtentestaments hat sich nach einer Rechtsprechungsänderung 1970 nach allgemeiner Einschätzung weitgehend entschärft. Seitdem obliegt es nicht mehr der bedachten Lebensgefährtin, eine Vermutung für die allein sexuelle Motivation zu widerlegen. Vielmehr trägt hierfür die Beweislast, wer sich auf Sittenwidrigkeit beruft. Motive des Erblassers, insbesondere ausdrücklich in seiner letztwilligen Verfügung angegebene, spielen hier eine zentrale Rolle. Schon aus diesem Grund sollte in der Kautelarpraxis mit Motivangaben sparsam umgegangen werden.
Rz. 5
Der für das Sittenwidrigkeitsverdikt zu führende Beweis der ausschließlich sexuellen Motivation dürfte kaum je zu führen sein. Überdies ist der in § 1 des Prostitutionsgesetzes angeordneten, auf die Vornahme der vereinbarten sexuellen Handlungen aufschiebend bedingten Rechtswirksamkeit des zwischen einer Prostituierten und ihrem Freier geschlossenen Vertrages nunmehr die Wertung zu entnehmen, dass selbst die ausschließlich sexuelle Motivation kein Sittenwidrigkeitsverdikt mehr rechtfertigen kann. Im Übrigen gewährleistet das Pflichtteilsrecht den nächsten Angehörigen den sittlich gebotenen Mindestanteil am Nachlass.
Rz. 6
Der BGH hat in der Folge entschieden, dass Zuwendungen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt und von innerer Bindung getragen ist, auch dann nicht sittenwidrig sind, wenn ein Partner oder beide verheiratet ist bzw. sind. Dies gilt ausdrücklich auch für Zuwendungen unter Lebenden.
Rz. 7
Lange Zeit war die Rechtsprechung der Ansicht, dass für das Sittenwidrigkeitsurteil sowohl im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände als auch im Hinblick auf die maßgeblichen Wertanschauungen der Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung maßgeblich sei (Inhaltskontr...